Global Identity

 

 

 

 

 

Aus Corporate Identity muss Global Identity werden - der optimale Weg hierfür wurde noch nicht gefunden(1)

 

 

Der Begriff Corporate Identity (CI) wurde zu Beginn der 70-iger Jahre aus den USA nach Europa exportiert. Mit der CI gab es in Europa zunächst Anfangsschwierigkeiten, weil es bei uns - im Gegensatz zu den USA - in vielen Firmen bereits eine Unternehmenskultur gab, die nicht nur von "oben" diktiert wurde, sondern sich im Lauf der Jahrzehnte unter Einbeziehung der Mitarbeiter gebildet hatte. Ein typisches Beispiel hierfür ist die BASF (Ludwigshafen, Deutschland), bei der sich die Mitarbeiter mit Stolz auch heute noch als "Aniliner" bezeichnen, obwohl die Firma inzwischen eine Wandlung von der "Badischen Anilin- und Sodafabrik" zum international operierenden Vielsparten-Konzern vollzogen hat. Eine vergleichbare Identifizierung der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber gab es in zahlreichen Firmen und beruhte wesentlich darauf, dass man in Europa als Lehrling in einer Firma begann und als Pensionär der gleichen Firma die berufliche Laufbahn beendete. Bewusst oder unbewusst handelten die Firmen nach den Erkenntnissen der Sozialpsychologie, nämlich dass gemeinsame Erlebnisse ein "Wir-Gefühl", d.h. eine gemeinsame Identität entwickeln, die sich auch in Krisenzeiten vorteilhaft auswirkt. Eine solche Selbstidentifikation der Mitarbeiter mit ihren Firmen war in den USA weniger üblich. Die Funktion der CI als Führungsinstrument überwog, weil dort seit Beginn der Industrialisierung vielfach das Prinzip des "hire and fire" herrschte und die lebenslange Beschäftigung in ein und derselben Firma (womöglich über mehrere Generationen) zu den seltenen Ausnahmen gehört.

 

Globalisierung erfordert eine neue Firmenidentität:   Global Identity

 

CI ist heute im Prinzip mehr denn je erforderlich und zwar nicht nur als Führungsinstrument mit verbindlichen „Style Guides“. In einer Zeit der Firmenfusionierungen und der Globalisierung werden Unternehmen unterschiedlichster Firmenkulturen innerhalb von wenigen Monaten zu künstlichen Firmenkonglomeraten zusammengeschweisst und deshalb bedarf es einer neuen Form von Corporate Identity die eigentlich durch das Wort Global Identity ersetzt werden sollte. Oft bleibt nach einer Fusion ja nicht viel übrig, für das der herkömmliche Ausdruck Corporate Identity passend wäre. Mitarbeiter sind zu „Funktionsinhabern“ geworden und daher beliebig auswechselbar. Welchen Stellenwert hat CI im alten Sinne, wenn sich die Mitarbeiter durch Job-sharing, flexiblere und wesentlich kürzere Arbeitszeiten und der immer weiter verbreiteten Tele-Arbeit gar nicht mehr kennen? Was bleibt ausser einem einheitlichen Produktdesign noch übrig, wenn ganze Abteilungen als selbständige Firmen ausgegliedert werden und Mitarbeiter sich selbständig machen, als freie Mitarbeiter jedoch weiterhin für ihre ehemalige Firma, aber eben nicht mehr nur für diese Firma, arbeiten?

 

Neue Firmengebilde - neue Identität

 

Was bedeutet CI für die Mitarbeiter, wenn grosse erfolgreiche Unternehmen wie zB. Siemens eine bestimmte Sparte mit einem neuen Firmennamen (Infineon) aus dem Mutterkonzern auslagern und diese neue Firma - inzwischen ein ebenfalls international operierender Konzern - aus Kostengründen seinen Standort möglicherweise in die Schweiz verlegt? Infineon ist kein Einzelfall, auch für neue Firmen wie Invensys, Inficon oder Aventis ist CI im früheren Sinn (unter Einbeziehung der Mitarbeiter) kaum mehr denkbar. Vielleicht gibt es in Zukunft ja gar keine Firmen im heutigen Sinne mehr, Produktionsanlagen werden von Robotern gesteuert, Planungs- und Entwicklungsarbeiten können als Auftragsarbeiten an externe Planungsbüros bzw. private Forschungsinstitute weltweit vergeben werden. Schon heute werden klassische Firmenressorts wie zB. Personalabteilungen, EDV-Abteilungen und viele andere Bereiche an externe, auf diese Arbeiten spezialisierte Firmen ausgelagert, die infolge ihrer Spezialisierung die gleichen Arbeiten für mehrere Firmen wesentlich billiger durchführen. Der Weg in diese Richtung ist nicht aufhaltbar. Eine neue Form von CI, nämlich „Global Identity“ muss sich heute an die Veränderungen der Arbeitswelt als „Klammer“ anpassen, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter weitgehend verzichtet und sich mehr auf das äussere Erscheinungsbild einer Firmengruppe konzentriert.

 

Welche Merkmale muss die neue „Global Identity“ haben?

 

Wesentlich ist die Schaffung eines breitgefassten Umfeldes, mit dem sich sowohl das Unternehmen, als auch der Konsument identifizieren kann. Erfolgreich sind in Zukunft nur solche Unternehmen, die sich auch im Internet erfolgreich präsentieren, denn die Webseite ist ein wesentlicher Bestandteil von CI geworden. Grosse Firmen haben – neben den inzwischen selbstverständlichen Vorgaben mittels Organisationsanweisungen für Mitarbeiter (Style Guides) – auch Vorschriften für die digitale Repräsentation im „World Wide Web“ geschaffen. Leider wurde der richtige Weg für ein weltweit optimales Auftreten der Global Players bisher noch nicht immer gefunden. Zwar ist es fast schon selbstverständlich, dass beim „Anklicken“ einer Webseite die Auswahl mehrerer Sprachen angeboten wird, leider wird dem Konsumenten jedoch oft nur die Übersetzung einer „Stammversion“ in verschiedene Sprachen zur Verfügung gestellt. Das hat zwar internationales Flair, wichtige Möglichkeiten für den international optimalen Erfolg werden aber durch semantisch manchmal unglückliche Übersetzungen vertan.

 

Fast schlimmer als semantische Entgleisungen ist die Fehleinschätzung tiefverwurzelter mentaler Unterschiede der Regionen unserer Welt. Hier genügt es nicht, nur die selbstverständlichen Unterschiede zwischen Asien, Europa und den USA zu berücksichtigen, wenn nicht erkannt wird, dass es erhebliche Unterschiede selbst in unserem kleinen Europa gibt. Dass der spanische Markt anders beworben werden muss als der deutsche, hat sich inzwischen herumgesprochen, Versuche, regionale Unterschiede zwischen deutschsprachigen Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz zu berücksichtigen wurden oft schon nach wenigen Jahren in vielen Fällen wieder fallen gelassen. Historische Unterschiede zwischen unterschiedlichen Regionen kann man durch geeignete Schulungsprogramme und den Austausch von Mitarbeitern an verschiedene europäische Standplätze einer Firma reduzieren. Was die einzelnen Regionen unserer Welt stärker trennt, sind tief verwurzelte mentale Unterschiede der Länder, u. a. der für die Werbung besonders wichtige unterschiedliche Humor und landesspezifische Umgangsformen. Für die Schaffung einer „Gobal Identity“ sind solche Unterschiede ganz besonders beim Auftreten im Internet und in der Fernsehwerbung entscheidend. Der Aufbau einer Homepage sollte zB. zwei wesentliche Merkmale aufweisen:

 

die Eintrittsseite darf ausser einer grafisch ansprechenden Gestaltung nichts anderes als das Firmenlogo und einige buttons zur Wahl eines bestimmten Landes enthalten. Inhalte über den Firmensitz und die internationale Struktur sind hier mit Einschränkungen*) völlig unangebracht.

 

*) Anm.: es gibt auch Unternehmen (z.B. Roche oder Novartis) für die eine solche Forderung nicht unbedingt gilt, weil die Schweiz als Land für innovative Pharmaforschung international bekannt ist und der Standort daher werbewirksam eingesetzt werden kann. Ähnliches gilt auch für schweizerische Grossbanken oder die Uhrenindustrie. Eine differenzierte Einschätzung für den bestmöglichen Einsatz der neuen Medien ist daher immer angebracht.

 

die zweite Seite muss (zumindest für Europa) bereits so länderspezifisch gestaltet sein, dass dem Betrachter die globale Firmenstruktur gar nicht auffällt. Buttons zur „History“ und Firmenstruktur des Konzerns sind hier zwar erlaubt, müssen jedoch eher unauffällig sein. Wichtiger sind die vertriebenen Produkte und die länderspezifischen Ansprechpartner der Firmenvertretungen des über die Eingangsseite gewählten Landes.

 

Die Firma, die das länderspezifische Auftreten am besten erkennt und berücksichtigt, wird sich wirtschaftlich am besten behaupten. Der Handlungsbedarf vieler namhafter Grosskonzerne zur Schaffung einer globalen Firmenidentität ist derzeit noch gewaltig und möglicherweise eine wichtige Ursache, dass viele Grossfusionen wieder zerbrechen werden.

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(1) Dieser Text wurde unter dem Titel „Unternehmensidentität schafft wichtige Klammer. Aus Corporate Identity muss Global Identity werden – Den optimalen Weg aus dem Dilemma noch nicht gefunden“ in dem Schweizer Börsenfachblatt/ Finanz und Wirtschaft, Mittwoch, 10. September 2003, praktisch wortgleich publiziert. (Die Orthografie der Schweizerischen Sprache, z.B. „ausser“ statt „außer“ , etc. wurde in diesem Text belassen).

 

Anm.: Als ich diesen Beitrag 2002/2003 schrieb, gab es (zumindest im Internet) den Begriff „Global Identity“ noch nicht – heute findet frau/man in Google 325 Mio Eintragungen dazu – Zugriff am 10.3.2013) – bin ich vielleicht sogar der “Erfinder“ dieses Begriffes?

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