Sally's Mentalitätstraining

 


Lioncheep (c) Alfred Rhomberg

 

„Ich bin stark wie eine Löwe“, sagte das Schaf Sally zum Löwen – dieser lächelte mitleidig. „Ich meine es ernst – wage es nicht, mich anzugreifen!“, meinte Sally. Die Augen des Löwen blickten etwas erstaunt, er leckte sich bereits genussvoll das Maul, zögerte aber noch etwas zuzuschlagen, denn irgendwann hatte er einmal etwas von David und Goliath gehört, allerdings die Geschichte nie ganz verstanden und da gibt es ja auch noch den Spruch, der Glaube versetze Berge! Das Schaf Sally war nicht im herkömmlichen Sinne gläubig, es glaubte jedoch an sich selbst. Es wuchs innerlich von Minute zu Minute und wurde dadurch auch äußerlich immer größer und größer. Die Philosophie nennt so etwas „Emergenz“, das heißt: innerliche Größe führt zur spontanen Herausbildung neuer Eigenschaften. Der Löwe begann an sich zu zweifeln und das Schaf Sally legte noch etwas nach: „Hast du noch nie etwas von Übersummativität gehört?“ Der Löwe erschrak und als das Schaf dann noch einen Begriff von Konrad Lorenz nachschleuderte, nämlich die „Fulguration“ – also das plötzliche Entstehen neuer Eigenschaften in einzelnen Systemen, zog der Löwe den Schwanz ein und suchte das Weite.

 

Die übrigen Schafe, die den Vorgang angstvoll beobachtet hatten, schrieben sich sofort in die von dem klugen Schaf gegründete Schule „Sally’s Mentalitätstraining“ ein und fortan gab es nur noch Schafe, die äußerlich zwar wie Schafe aussahen, innerlich jedoch so stark und weitaus kreativer als LöwInnen waren und alle LöwInnen in die Flucht schlagen konnten.

 

Leider waren auch Schafe lange Zeit nicht frei von Rassismus. Als sich die ersten Löwinnen und Löwen in Sally’s Mentalitätstrainingskurse einschreiben wollten, wurden diese zunächst von den Schafen - ähnlich Immigranten - strikt abgewiesen. Es bedurfte eines längeren Reifungsprozesses bis Sally ihre Didaktik entsprechend weiter entwickelt hatte, bis LöwInnen und Schafe friedlich in den von Sally veranstalteten Seminaren zusammensaßen und das gemeinsame Miteinander erlernten. In der Folge kam es zu echten Freundschaften, nur die Genetik verhinderte vorläufig noch Kreuzungen der beiden Tierarten, sodass sogenannte Lionsheeps oder Sheeplions erst nach Fortschritten der Gentechnologie möglich sein würden. Ob das nun tatsächlich ein Fortschritt wäre, können erst spätere Generationen beurteilen.

 

(Version 1.6.2013)

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