Der Untergang des Abendlandes hat sich beschleunigt

(Considerations)
Altägyptischer Maler ca. 1400 v. Chr. - free of Copyrights

 

 

Das zentrale Werk Oswald Spenglers (1880-1936) „Der Untergang des Abendlandes“ erschien 1922 bzw. mit leichten Korrekturen 1923 im C.H. Beck Verlag und hatte damals für Aufsehen aber auch für Kritik gesorgt. Ich hatte das Werk während meiner Studienzeit ungefähr um 1960 gelesen und da es mich besonders beeindruckt hatte, denke ich immer wieder (heute mehr denn je) an verschiedene Passagen und versuche sie mit unserer Zeit abzugleichen. 

Dieser Beitrag soll nicht tiefer in dieses umfangreiche Werk Spenglers eindringen – man muss das Buch auch nicht unbedingt lesen - eine gute Zusammenfassung in der Wikipedia-Ezyklopädie reicht aus, um die wesentlichen Inhalte zu kennen. 

Nur soviel zu Spenglers Thesen: Spengler untersucht acht Hochkulturen hinsichtlich Gemeinsamkeiten des Aufstiegs und Verfalls dieser Kulturen. Er beginnt mit der ägyptischen Kultur, geht über die babylonische, chinesische, antike (griechisch-römische) Kultur bis zum Abendland, dessen „Vorkultur“ er mit der Zeit um 900 n. Chr. (also etwa zur Zeit der Merowinger) ansetzt und gelangt schließlich zu unserer heutigen abendländischen-nordamerikanischen Kultur, deren Untergang durch die letzte Phase, die zivilisatorische (mit der jede Hochkultur endet) gekennzeichnet ist. 

 

Die typischen Kennzeichen der späten Zivilisation charakterisierte Spengler in seinem Buch wie folgt:

 

(Aufzählung der typischen Kennzeichen aus der Wikipedia-Enzyklopädie)

 

· das Greisenhafte statt des Jugendlichen, Geschichtslosigkeit, 
· Künstlichkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche, 
· Herrschaft der anorganischen Weltstadt anstelle des lebensvollen bäuerlich geprägten Landes, 
· kühler Tatsachensinn anstelle der Ehrfurcht vor dem Überlieferten, 
· Materialismus und Irreligiosität, 
· anarchische Sinnlichkeit, panem et cirsenses, Unterhaltungsindustrien, 
· Zusammenbruch der Moral und Tod der Kunst, 
· Zivilisationskriege und Vernichtungskämpfe, 
· Imperialismus und die Heraufkunft formloser Gewalten. 

 

Nachfolgend wird versucht, die einzelnen Punkte unter dem Gesichtpunkt des beginnenenden 21. Jahrhunderts zu betrachteten.

 

Das Greisenhafte statt des Jugendlichen, Geschichtslosigkeit

 

Unsere Zeit wird oft als Zeit der „Jugend“ bezeichnet, weil diese mit den neuen technischen Geräten wie Smartphons und Tablet-Computern besser umgehen kann als die ältere Generation, außerdem „sei die Jugend offen“ für fremde Kultureinflüsse (crossover-mainstream). Diese Offenheit ist allerdings keine Errungenschaft unserer Zeit, sondern begann bereits mit den Kreuzzügen. Die „Geschichtslosigkeit“ ist durch die meisten Schulversuche in Deutschland oder Österreich leider zur Tatsache geworden. Schreib-, Lese- und Rechenfähigkeiten sind verkümmert, Literatur- und Geschichtskenntnisse fast nicht mehr vorhanden, Basiswissen wurde durch spezialisierte Verwissenschaftlichung ersetzt. Die neuesten Schulversuche versuchen eigentlich stets nur, dasjenige wieder etwas zu korrigieren, was frühere „moderne“ Schulversuche angerichtet hatten. Das „Greisenhafte“ unserer Zeit ist nicht so einfach zu belegen, es sei denn, man würde das Älterwerden unserer Zeit und die Hilflosigkeit, wie mit typischen Alterserkrankungen umgegangen wird (zunehmende Krebsanfälligkeit, Kreislaufschäden, sowie typische Altersdemenzen) als „Vergreisung“ betrachten.

 

Künstlichkeit und Erstarrung aller Lebensbereiche

 

Die Künstlichkeit unserer Lebensformen ist kaum zu bestreiten – wir sind, was Kleidung, Urlaubsformen, Freizeitgestaltung und die „Weisheiten des Lebens" betrifft, nur noch Surrogate dessen was Leben bedeuten kann. Von einer „Erstarrung“ kann nicht gesprochen werden, da wir in allen Lebensbereichen den immer schneller wechselnden Modetrends verfallen.

 

Herrschaft der anorganischen Weltstadt anstelle des lebensvollen bäuerlich geprägten Landes

 

Dieser Punkt zivilisatorischer Entartung ist offenkundig und braucht nicht näher kommentiert zu werden, außer dass die in den Städten zunehmende Bio- und Konsumwelle nicht durch die „anorganische“ Weltstadt sondern nur durch bäuerlich geprägtes Land und häufig durch  unsinnige Importe aus der ganzen Welt befriedigt werden können. 

 

Kühler Tatsachensinn anstelle der Ehrfurcht vor dem Überlieferten

 

Auch dies muss nicht kommentiert werden – der kühle Tatsachensinn wird an unseren Universitäten ohne das Lehren von tieferen Zusammenhängen zelebriert, und die Überlieferung (sprich Tradition) wird zum touristischen „Gebrauchttum“ statt Brauchtum degradiert.

 

Materialismus und Irreligiosität

 

Beides sind traurige Realitäten unserer Zeit. Der Materialismus hat fast alle Lebensbereiche erfasst und statt Religiosität wird Zuflucht in Pseudoreligionen einschließlich esoterischer Religionsformen gesucht.

 

Anarchische Sinnlichkeit, panem et cirsenses, Unterhaltungsindustrien

 

Dieser Punkt bedarf kaum eines längeren Kommentars - die anarchische Sinnlichkeit könnte man in der primitiven Pornographie und in Erotikmessen sehen (wobei Erotik an sich nicht verwerflich ist – frühere Hochkulturen der Antike hatten Erotik in einer uns heute fremden Weise kultiviert). „Panem et circenses“ finden wir in überdimensionierten Sportereignissen (z.B. Fußball und Olympiaden) nach dem Motto: „schneller, höher, weiter“ und die Unterhaltungsindustrie trägt wesentlich dazu bei, dass die Jugend (und leider nicht nur diese) zu einer Oberflächlichkeit erzogen wird, die nicht anders als erschreckend bezeichnet werden kann. Sicher – es gibt auch Gegenbewegungen, doch etwas das einmal zerstört wurde, ist nicht so schnell restaurierbar.

 

Zusammenbruch der Moral und Tod der Kunst

 

Dieser Punkt ist nicht befriedigend kommentierbar – denn: was bedeutet Moral und was ist Kunst? Daher lässt sich weder von einem „Zusammenbruch“ noch von einem „Tod“ der Kunst sprechen.

 

Zivilisationskriege und Vernichtungskämpfe

 

Vernichtungskämpfe von denen Oswald Spengler insbesondere als Folge des Ersten Weltkrieges beeinflusst war, hat es bekanntlich auch danach gegeben, die heutigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten und in Afrika sind sowohl Zivilisations-, als auch Vernichtungskriege.

 

Imperialismus und die Heraufkommen formloser Gewalten

 

Der Imperialismus ist in Europa und vielen Teilen der Welt weitgehend überwunden - jedenfalls in jenem Sinne des 19. Jahrhunderts - pseudoimperialistische Strukturen sind dagegen, insbesondere im Nahen Osten, Afrika aber auch anderen Teilen der Welt eher gewachsen. Gemeint sind Staaten, die sich zwar als Demokratien bezeichnen, jedoch nicht im Sinne westlicher Staaten demokratisch regiert werden (z.B. Militärdiktaturen wie Nordkorea u.a.). 

Eine moderne Art von Imperialismus ist das „Land Grabbing“, darunter versteht man das Kaufen oder Pachten größerer Flächen in armen Staaten, um z.B. Ölpalmplantagen zu errichten. Dabei fließen die entrichteten Kauf- oder Pachtsummen meist in die Hände korrupter Regierungen (in Afrika), wobei die arme Bevölkerung als billige Arbeitskräfte schlecht bezahlte Plantagenarbeit verrichte muss(1). Selbst wenn das Land nur gepachtet ist, befinden sich die Verträge meist im rechtsfreien Raum.

Formlose Gewalten sind heute das gefährlichste Übel, weil sie auch demokratische Staaten destabilisieren können. Rechts- oder Linksradikale Gruppierungen, sowie religiöse Fanatiker beunruhigen uns, ohne dass wir diese Gewalten wirksam bekämpfen können. Im 20. Jahrhundert waren es zunächst linke „Räterepubliken“, der Spartakusbund und rechte zunächst noch relativ unorganisierte Gruppierungen des aufkommenden Nazi-Regimes, später die linken 68-Revolutionen in Frankreich und Deutschland und die RAF (Rote Armee Fraktion), welche die Nachkriegsdemokratien erschütterten. In unserem Jahrhundert sind die NSU, deren linke Gegenbewegungen und der islamitische Radikalismus (Kämpfe zwischen unterschiedlichen Gruppen von Sunniten und Schiiten (Alkaida, IS-Dschihadisten) solche „formlose Gewalten“, die immer schwieriger in den Griff zu bekommen sind. Doch auch gegen genehmigte Demonstrationen in vielen Ländern Europas werden unsere Demokratien immer hilfloser. Demonstrationen wie „Stuttgart 21“, gegen Atomkraftwerke etc. überschreiten oft den sachlichen Rahmen, der solchen Demonstrationen eingeräumt wird und arten häufig in Gewalt aus. Das Drama welches sich derzeit in vielen Ländern des Nahen Osten abspielt, ist der Inbegriff „formloser Gewalt“ – eine Lösung ist kaum in Sicht. Die Frage was dies mit dem „Untergang des Abendlandes“ zu tun habe, ist einfach beantwortbar: Westlich geprägte Organisationen wie die UNO, die EU, die Weltbank bzw. IWF (Internationaler Währungsfond) sind weltweit involviert, sodass derzeit praktisch nicht beherrschbare Regionen das sogenannte „Abendland“ (einschließlich Nordamerika) zunehmend in wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten bringen. 

Der „Untergang des Abendlandes“ beschleunigt sich offenkundig – ob und in welcher Zeit (100, 300 oder 500 Jahre) es zu einem Zusammenbruch kommt, kann niemand beantworten.

 

Anm.: Dass, wie bei Spengler gelegentlich anklingt, Russland eine Nachfolge-Hochkultur sein könnte, ist zumindest aus heutiger Sicht, wesentlich unwahrscheinlicher geworden als zur Zeit Oswald Spenglers. 

Aus der Sicht des Havard-Historikers Niall Ferguson ist eines sicher: „die weltweit gelebte oder angestrebte Lebensweise der Menschen ist stark vom Westen geprägt. Die meisten Menschen auf der Welt übernahmen die westliche Lebensweise des Konsums und der Kleidung. Nur die muslimische Welt hat dem bisher noch widerstanden. Kann die Burka gegenüber der großen, globalen Markenbekleidung bestehen?“

 

 

(19.10.2014, redigierte Fassung von 2013)

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(1) Im November 2008 wurde berichtet, dass Lybien 250.000 Hektar in der Ukraine erworben hat. Im Januar 2009 wurde bekannt, dass Katar 40.000 Hektar in Kenia erworben hat. Nach Medienberichten im Januar 2010 soll China in der Demokratischen Republik Kongo 2,8 Millionen Hektar Land erworben haben, um die größte Ölpalmplantage der Welt aufzubauen, während Äthiopien bis Ende 2009 bereits 600.000 Hektar Land an ausländische Investoren verpachtet hatte. In Madagaskar sollen die Verhandlungen mit der Daewoo Logistics Corporation über den Kauf von 1,3 Millionen Hektar Land für den Anbau von Mais und Ölpalmplantagen bei den politischen Konflikten eine Rolle gespielt haben, die 2009 zum Sturz der Regierung führten. (Zitat aus der Wikipedia-Enzyklopedie, Zugriff 9.9.2013) 

 

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