Phantasie und Kreativität

 

 

Phantasie/ Kreativität? - (c) Alfred Rhomberg

 

 

 

Phantasie ist die notwendige Voraussetzung von Kreativität, mehr allerdings nicht, denn Phantasie schafft alleine wenig – unter Umständen sogar Unbehagen. Um den Unterschied zwischen Phantasie und Kreativität besser zu verstehen ist es notwendig, die etwas unterschiedlichen Interpretationen des Kreativitätsbegriffes zu analysieren.

 

Kreativität wird im Brockhaus als „die Fähigkeit, originelle, ungewöhnliche Einfälle zu entwickeln und sie produktiv umzusetzen“ definiert.

 

„Kreativität ist die Fähigkeit intelligenter Lebewesen, neue und unübliche Kombinationen und neue Aufgabestellungen zu finden“.

 

oder:

“Kreativität ist die Fähigkeit produktiv gegen Regeln zu denken und zu handeln”.

 

Von diesen drei Definitionen gefallen mir die erste und die letzte Definition am besten, weil sie die produktive Umsetzung von Ideen deutlich machen. Die zweite Definition entspräche eher dem „Phantasiebegriff“ im aristotelischen Sinn, dass unter Phantasie im Wesentlichen die Wahrnehmung verstanden wird. „Neue Aufgabenstellungen zu finden“ setzt sicherlich Phantasie voraus, Aufgaben werden jedoch durch das bloße „finden“ noch nicht gelöst. Phantasie erzeugt Ideen, aber diese werden im positiven, wie auch leider oft im negativen Sinne verwirklicht/ umgesetzt.

 

Wie kommen Phantasien zustande?

 

Es wäre zu einfach festzustellen, dass Phantasie nur von unserem Gehirn produziert wird, obwohl es wirklich der eigentliche Produzent ist. Die Frage müsste eher lauten „wie“ unser Gehirn Phantasie bzw. Ideen produziert. Die wichtigste Basis um überhaupt Phantasien entwickeln zu können, ist die Wahrnehmung die nach heutigem Wissenstand in sechs Schritten so in unserem Gehirn funktioniert, dass sie bei Bedarf abgerufen werden kann. Es würde hier zu weit führen, den gesamten Wahrnehmungskomplex näher zu erörtern, es sollen daher nur die wesentlichen Grundvoraussetzungen des Prozesses verkürzt skizziert werden.

 

  1. Über unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren, Tastsinn etc.) werden in jeder Sekunde viele Millionen Reize an das Gehirn (zunächst nur an bestimmte Teile) weitergeleitet.

 

  1. Aus dieser für das Gehirn viel zu großen Zahl an Wahrnehmungsreizen werden diejenigen herausgefiltert, die für uns interessant sind.

  

  1. Die Frage, welche Reize „interessant“ sind, hängt im Wesentlichen davon ab was a) für unseren Organismus lebenswichtig ist und b) was durch Lernprozesse und bereits gemachte Erfahrungen als zusätzlich interessant empfunden wird. Durch ständiges Lernen wird die Zahl der wichtigen Außenreize durch den schnellen Abgleich eines in der Entwicklungsgeschichte sehr archaischen Organs, den Hippocampus, der mit allen Teilen des Gehirns über hintereinander geschaltete Neuronenbahnen verbunden ist, im Laufe des Lebens ständig vergrößert. Das heißt mit anderen Worten, dass jemand, der an bestimmten Dingen besonders beruflich oder durch Hobbies interessiert ist, mehr von diesen Außenreizen wahrnimmt und verarbeitet, als ein ungeschultes Gehirn. Der Hippocampus ist auch dafür verantwortlich, welche Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis letztlich im Langzeitgedächtnis gespeichert werden und für neue Erfahrungen über den Wahrnehmungsprozess später zur Verfügung stehen.


Ein Satz von Louis Pasteur (1822-1895, französischer Wissenschaftler und Pionier der Microbiologie) „Intuition trifft nie einen unvorbereiteten Geist“ ist damit hinreichend begründet. Eingebungen von irgend einer mysteriösen Kraft sind daher bei intuitiven Gedanken – die ja mit den Begriffen Phantasie und Kreativität eng verknüpft sind – wohl kaum im Spiel.

 

Sind Wahrnehmungen, die durch Außenreize auf uns eindringen auch anders als durch Lernprozesse beeinflussbar?

 

Diese Frage muss eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. Sowohl Alkohol, wie alle anderen Drogen und Beruhigungsmittel (Sedativa) greifen tief in die im Gehirn ablaufenden Prozesse ein, sodass die Außenreize verstärkt, vermindert oder verändert vom Gehirn verarbeitet werden. Aldous Leonard Huxley (1984-1963, britischer Schriftsteller der auch wissenschaftlich interessiert war) hat u.a. mit Drogen experimentiert und seine Erfahrungen schriftlich niedergelegt. Lesenswert sind in diesem Zusammenhang seine Bücher über das Sehen und die Wahrnehmung(1).

 

Künstler (z.B. Schriftsteller und Maler) benützen häufig Drogen, um kreativere Einfälle zu fördern. Das mag in gewissem Sinne erfolgreich sein, die wenigsten derjenigen, die solche Experimente machen, wissen jedoch, dass bei jeder Droge pharmakologisch ein anderer Phasenverlauf nachweisbar ist. Bei manchen Drogen ist die Exitationsphase (Erregungsphase in welcher Phantasie möglicherweise gesteigert wird) sehr kurz, anschließend kommt es dann zu einer Betäubungsphase, die unterschiedlich lang ist und eine gesteigerte Phantasie praktisch nicht mehr zulässt. Bei Alkohol ist die Exitationsphase relativ lang, bei Narkosemitteln ist sie besonders kurz und die anschließende Betäubungsphase beabsichtigt lang. Andere Drogen haben ihnen eigene Phasenverläufe, wobei es äußerst fragwürdig und gefährlich ist, seine „kreativen Fähigkeiten“ aufgrund solcher Phantasievorstellungen) produktiv umzusetzen. Immerhin kann nicht geleugnet werden, dass durch geringe Mengen Alkohol oft Hemmungen wegfallen, die den Phantasieprozess beeinträchtigen. Eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit in dem Sinne, dass mehr Außenreize vom Gehirn aufgenommen werden, kann wohl bei allen Drogen ausgeschlossen werden.

 

Gibt es auch Phantasien, wenn die äußere Wahrnehmung abgeschaltet ist?

 

Selbstverständlich gibt es solche Phantasien. Im Schlafzustand werden im Gehirn gespeicherte Inhalte aufgerufen (Träume), die allerdings – vermutlich durch die etwas eingeschränkten Hirnfunktionen im Schlaf jener Zentren, die für logische Prozesse oder zeitliche Abfolgen verantwortlich sind, beeinträchtigt werden. Hier gelten die gleichen oben beschriebenen Fakten hinsichtlich des Gebrauches von Drogen, Alkohol und Sedativa. Wer hätte nicht schon einmal nach etwas Alkoholgenuss „wüste“ Träume gehabt?

 

Was „Kreativität“ betrifft, so kann nach diesen Ausführungen nur noch einmal die eingangs aufgestellte Behauptung wiederholt werden, dass Kreativität einen „produktiven Umsetzungsprozess“ braucht um sinnvoll eingesetzt zu werden – Phantasie zu haben genügt alleine nicht. Bei der Umsetzung von Ideen (bzw. Phantasien) müssen daher auch Zentren im Gehirn zum Einsatz gelangen, die für Logik und gespeicherte Erfahrungen verantwortlich sind.

 


 

(1) The Art of Seeing. 1942 ISBN 0-006-54746-X, (dt. Die Kunst des Sehens. Was wir für unsere Augen tun können ISBN 3-492-10216-6), The Doors of Perception. 1954 ISBN 0-006-4731-1, (dt. Die Pforten der Wahrnehmung ISBN 3-492-20006-0)

 

 

 

13.08.2009

 

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