Boykottmaßnahmen in der neueren Geschichte

 

Streik - © Alfred Rhomberg

 

 

Das Wort „Boykott“ geht auf den englischen Grundstückverwalter Charles Cunningham Boykott zurück, der einer irischen Landliga 1880 unterlag, weil diese Liga es sich zum Ziel gesetzt hatte, zu hohe Pachtkosten und die Unterdrückung durch die Landlords zu beenden. Ohne auf Details einzugehen, soll hier nur festgestellt werden, dass die „Landliga“ letztlich Erfolg mit ihren Forderungen hatte.

 

„Ein Boykott ist die organisierte Verweigerung, von einer geächteten Person, Institution oder Nation etwas zu kaufen, zu importieren oder ein anderes Geschäft zu tätigen; oder die Weigerung, an gewissen politischen Vorgängen teilzunehmen. Insofern ist ein Boykott eine ökonomische oder politische Waffe.“ (Zitat: Wikipedia Enzyklopädie)

 

Diese Definition ist eindeutig, schwieriger ist die Frage zu beantworten, wann ein Boykott oder Sanktionen sinnvoll sind oder sogar notwendig wären. Sowohl der Boykott, als auch Sanktionen sind erzwungene Maßnahmen, die den freien Wettbewerb verhindern sollen, um andere zu zwingen, sich dadurch in einer freien Wettbewerbsgesellschaft, gewissen Normen anzugleichen.

 

Anm.: “Sanktionen” leiten sich vom lateinischen Wort sanctio (Heilung) ab – heute werden darunter jedoch meist politische Ächtungsmaßnahmen verstanden, die dem Begriff „Boykott“ sehr ähnlich sind.

 

Boykottmaßnahmen in der neueren Geschichte

 

Wäre es 1936 nützlich gewesen, die Olympiade in Berlin zu boykottieren?

 

Viele wussten, dass Hitler ein gefährlicher Diktator war (spätestens 1935 nach den „Nürnberger Rassengesetzen“). Der bekannte österreichische Theaterkritiker und Publizist Alfred Polgar kommentierte die Olympiade in Berlin etwa mit folgenden Worten: ...und nun kommen sie alle und drücken einem Diktator die Hand, an dessen Händen Blut klebt…“. Tatsächlich waren sie alle gekommen. Warum? Die Ententemächte, insbesondere England und Frankreich, waren nach dem ersten Weltkrieg und der anschließenden Weltwirtschaftskrise keineswegs so mächtig, dass man Hitler einfach boykottieren konnte. Hitler hatte zur Zeit der Olympiade in Deutschland bereits mit einer Hochrüstung begonnen, die es in England nicht gab – vielleicht wäre der zweite Weltkrieg durch einen Boykott daher sogar noch früher ausgebrochen. Die USA wollten die Olympiade in Berlin zunächst boykottieren, da ein Teil der Sportler jedoch gegen den Boykott war, nahmen die USA unter der Bedingung teil, dass im deutschen Olympiateam mindestens zwei jüdische SportlerInnen teilnehmen müssten. Letztlich wurde in Deutschland zu Beginn der Olympiade dann nur eine "Vorzeigejüdin" zugelassen - es war für Hitler aber eine bittere Pille, dass mit Jesse Owens dann ausgerechnet ein "nichtarischer" Afroamerikaner vier Goldmedaillen für die USA gewann. Ob also ein Boykott der olympischen Spiele in Berlin damals wirklich Sinn gehabt hätte, ist heute eher zu bezweifeln.

 

Die Republik Südafrika

 

Die seit 1948 bestehende Apartheidspolitik hatte zu weitgehenden wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen gegen die Republik geführt, die dem Land durchaus geschadet hatten. Im Falle Südafrikas waren die Boykottmaßnahmen und der internationale Druck sicherlich ein Grund, dass 1990 unter dem damaligen Präsidenten de Klerk, der Vorsitzende des African National Congress, Nelson Mandela, der als politischer Gefangener von 1964-1990 inhaftiert war, freigelassen und die Apartheidspolitik beendet wurde. Das war also letztlich ein Erfolg eines lange währenden wirtschaftlichen Teilboykotts.

 

1980 - Der Boykott der olympischen Spiele in Moskau

 

Die Gründe und die Bedeutung für diesen Boykott waren auf beiden Seiten (UDSSR und USA) vielfältig - u.a. führte der NATO Doppelbeschluss und der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan zu einem verschärften politischen Klima. James. E. Carter, der sich im Wahlkampf gegen Ronald Reagan befand, wollte – begleitet durch ein Einfuhrverbot von Weizen in die UDSSR – durch den Boykott Härte gegen die UDSSR demonstrieren. Für die Sowjetunion waren die Spiele besonders wichtig, weil sie (bei einer schwachen wirtschaftlichen Situation) sozialistische Überlegenheit zeigen wollten und hofften, durch einen nationalen Integrationseffekt eine Stabilisierung ihres eigenen Systems zu erreichen.

 

1984 - Boykott der Olympischen Spiele in Los Angeles durch die Sowjetunion und der Ostblockländer (außer Rumänien)

 

Gründe waren die unter Reagan am Tiefpunkt befindlichen politischen Beziehungen beider Länder, der Streit um mitteleuropäische Abrüstungsfragen und auch die Angst, dass viele Sportler anlässlich der Spiele zu „Überläufern“ werden könnten. Außerdem wurden Verletzungen der Olympischen Charta angeführt, weil die Spiele zum ersten Mal völlig privat finanziert wurden. In der Begründung der UDSSR wurde aber erwähnt, dass der Boykott nicht aus „Rachegründen“ stattfände.

 

Hätte der Irak-Krieg durch Boykottmaßnahmen verhindert werden können?

 

Wohl kaum! Zwar waren die Gründe für den Kriegsbeginn gegen den Irak sicherlich vorgeschoben. Heute wird jedoch zu schnell vergessen, dass Saddam Hussein ein überaus gefährlicher Diktator war. Nach Beendigung des Iran/Irak-Krieges wurden die Kurden im Irak massiv verfolgt und viele Tausend Kurden durch Giftanschläge umgebracht. Auch der „Zweite Golfkrieg“ zeigte deutlich, wie gefährlich der Irak war, als er 1990 in Kuwait einmarschierte. Damals waren es die USA, die diese Besetzung militärisch beendeten. Die Vorgeschichte war, dass der Irak nach dem Iran/Irak-Krieg hoch verschuldet war (allein 80 Milliarden US-Dollar in Kuwait). Der Irak wollte – um seine Schulden besser in den Griff zu bekommen, Kuwait zwingen, durch die Drosselung der Erdölförderung einen höheren Ölpreis am Weltmarkt zu erreichen. Als Kuwait dagegen seine Förderungsquote sogar erhöhte, führte das zur Besetzung Kuwaits. Dass Boykott-Maßnahmen den Irak später kaum beeindruckt hätten, sieht man daran, dass es bekanntlich Verbotslisten für gewisse Produkte gab, die nicht in den Irak exportiert werden durften, diese Verbote jedoch immer wieder durchbrochen wurden. Einen Totalboykott gegen den Irak nach dem Golfkrieg durchzusetzen, wäre wegen der Angrenzung an viele Länder mit anderen politischen Vorstellungen und Verbündeten damals vollkommen undenkbar gewesen (Türkei, Iran, Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien, Kuwait).

 

Gegen die olympischen Spiele in China standen Boykottmaßnahmen im Raum, die dann nicht durchgeführt wurden. Trotzdem war die Diskussion darüber nützlich, weil mit Hilfe der Kommunikationstechnologien vieles bekannt wurde, was im damals absolut verschlossenen China sonst nicht bekannt geworden wäre. China hatte sich anschließend nicht (wie erhofft) geöffnet – eine gewisse Öffnung des Landes geschieht heute aus wirtschaftlich notwändigen Gründen als Folge der Globalisierung.

 

Boykottmaßnahmen gegen privatwirtschaftliche Unternehmen

 

Der Ruf nach Boykottmaßnahmen wird immer dann laut, wenn Firmen Produktionsstandpunkte schließen und Mitarbeiter entlassen werden sollen. (z.B. 2007, Nokia in Bochum). In solchen Fällen können wirtschaftliche Boykottmaßnahmen gegenüber Firmen durchaus positive Effekte haben – vorausgesetzt, dass die Konsumenten eine geschlossene Haltung gegenüber den Produkten einer Firma einnehmen. Als der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackemann, 2005 an einem Tag einen enormen Gewinn präsentierte und gleichzeitig die Entlassung von ca. 6000 Mitarbeitern ankündigte, hätte die deutsche Bevölkerung durchaus Chancen gehabt, ein solches Unternehmen in die Schranken zu weisen (anstatt nur medial darüber zu schimpfen). Eine Möglichkeit wäre gewesen, wenn möglichst viele KundInnen ihre Konten, Sparbücher und Depots aufgelöst und ihre Kreditverpflichtungen auf andere Banken übertragen hätten - in solchen Fällen wären die Banken vermutlich gerne bereit gewesen, dem Kunden entstandenen Kosten beim Wechsel zu vergüten. Dies wäre ein deutlicher Schaden für die Deutschen Bank und deren Aktionäre gewesen, wobei gerade die AktionärInnen infolge des Wertverlustes ihrer Aktien mit Sicherheit Einfluss auf das Management des Unternehmen genommen hätten.

 

Natürlich besteht bei derartigen Boykotts immer die Gefahr, dass ein Unternehmen in der Folge das Land verlässt – vielfach reist der schlechte Ruf in solchen Fällen jedoch dem Unternehmen hinterher.

 

Wenn in diesen Wochen (Dezember 2013) das Unternehmen „Amazon“ in Deutschland bestreikt wird, könnten sich die Kunden sehr wirkungsvoll gegen die ausbeuterischen Praktiken gegenüber den Mitarbeitern des Logistikunternehmens wehren, indem sie einfach ihre online-Bestellungen bei Amazone unterlassen.

 

FACIT

 

Abschließend muss leider festgestellt werden, dass sich die Zeiten des eingangs erwähnten Erfolges der irischen Landliga heute grundlegend geändert haben. Daran ist nicht nur die Globalisierung und die Bildung großer politischer Machtblöcke schuld. Es ist auch die internationale Vernetzung durch die Kommunikationstechnologien, welche die Wirksamkeit von Boykottmaßnahmen einschränkt – fast immer ist ein „anderer“ zu Stelle, der sofort Nutzen aus einem Boykott zieht. Trotzdem sind Diskussionen über Boykottmaßnahmen notwendig (selbst wenn der Boykott letztlich nicht stattfindet). Boykotts gegen Produkte von Firmen sind immer dann sinnvoll, wenn giftige Stoffe in Konsumgütern wie Spielzeug oder Nahrungsmitteln gefunden werden.

 

Die inzwischen hervorragenden burgenländischen Weine hätten nicht die heutige Qualität, wenn Weine aus dem Burgenland nach dem Glykolskandal 1985 damals nicht boykottiert worden wären.

 

 

(10.12.2013, redigierter Beitrag aus einem Vorgängermagazin 2010)

 

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