Achtung Werbung !

  

Persil bleibt Persil (1925) - (c) Henkel Austria Plakatgalerie

 


Kürzlich stieß ich in der online Ausgabe von „Die Presse“ (8.2.2008) auf eine Fotoserie: „kreativ: So witzig kann Werbung sein“. Der oft krampfhafte Witz der meisten Fotos hätte bei mir kaum Kaufreize geweckt (das war bei dieser Serie auch nicht beabsichtigt), die Fotos bestätigten jedoch, dass „Humor“ – wie sollte es anders sein – subjektiv ist und kreative Bildgestaltung für einen Werbeerfolg allein nicht ausreicht.

 

Selbstverständlich geht es im Folgenden nicht um die Wertung unterschiedlicher Humor- oder Charmebegriffe – derlei Wertungen haben in der Werbung ebenso wenig Platz wie die Bewertung künstlerischer Qualität (sofern diese nicht Kaufanreize fördert). Werbung hat einen einzigen Zweck: sie soll bestimmte Zielgruppen überreden (besser: überzeugen), dass das beworbene Produkt einen Vorteil für den Beworbenen bedeutet. Einer der Väter der wissenschaftlichen Werbepsychologie und Motivforschung, Vance Packard, hat bereits in seinem berühmten 1957 erschienen Buch „The Hidden Persuaders“ die wesentlichen Grundlagen der Werbepsychologie beschrieben und in verschiedenen Publikationen darauf aufmerksam gemacht, dass das „Überreden zu einem Kauf“ immer dann besonders schädlich ist, wenn der Käufer den Kauf später bereut. Packard war ein absoluter Verfechter des „Überzeugens“ und die meisten der von Packard beschriebenen Grundlagen der Werbepsychologie sind heute nach wie vor gültig. Zudem gehörte Packard zu den ersten Werbepsychologen, die versucht hatten, den Erfolg von Werbung quantitativ zu messen, indem er z.B. kleine Veränderungen im Erscheinungsbild einer Marke mit den damit bewirkten Umsatzänderungen eines Produktes in Zusammenhang brachte. Heute drängt sich der Verdacht auf, dass die Motivforschung und die daraus abgeleiteten Werbemethoden „übertheoretisiert“ sind, der Werbeerfolg jedoch oft zu wenig kontrolliert wird.

 

Erfolgreiche Werbung zu gestalten, war schon immer schwierig. Heute ist dies infolge der Globalisierung und des fast unbeschränkten Warenaustausches noch schwieriger geworden – denn der Erfolg von Werbung ist mentalitätsabhängig. Als ich vor 20 Jahren berufsbedingt häufig in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz zu tun hatte, fielen mir die unterschiedlichen Werbeformen allein in diesen drei deutschsprachigen Ländern besonders auf. Der häufig in der Werbung eingesetzte „Humor“ kommt mentalitätsbezogen sehr unterschiedlich an, was erst jetzt besonders auffällt, weil es fast unbegrenzten Zugang zu den Fernsehsendern der ganzen Welt gibt. Englischer Humor ist eben anders als kontinentaler Humor und die Großwerbeflächen in der Pariser Metro strahlen meist deutlich mehr Charme aus als unsere Werbeflächen. Es ist möglich, dass sich diese Unterschiede – wieder aufgrund der Globalisierung – langsam verringern werden, zu wünschen wäre dies allerdings nicht. Länderübergreifende Werbung muss sich vorläufig also noch der Herausforderung stellen, die in den jeweiligen Ländern unterschiedliche Mentalität der Konsumenten zu berücksichtigen und gegebenenfalls Werbeagenturen beauftragen, die die Mentalität ihrer Landsleute kennen. Die in Deutschland etwas stärker verbreitete „Geiz ist geil Mentalität“ führt immer wieder dazu, deutsche Werbekampagnen (vermutlich aus „Geizgründen“) unverändert nach Österreich zu exportieren, obwohl der angesprochene Geiz vorläufig in Österreich noch nicht ganz so verbreitet ist, um als Werbeargument zu punkten. Werbung nach dem Muster „ich bin doch nicht blöd“ entspricht (vorläufig) noch nicht der österreichischen Umgangssprache – im speziell angesprochenen Fall wurde sie vor kurzem offenbar entsprechend „optimiert“- andere Werbungen warten noch auf solche Optimierungen.

 

Unter den zahlreichen, sehr unterschiedlichen Möglichkeiten, für Produkte oder Ideen zu werben soll nachfolgend nur die Fernsehwerbung etwas näher beleuchtet werden, ein späterer Beitrag wird sich der immer spannenderen werdenden Internetwerbung widmen.


Die Fernsehwerbung hat ein ganz besonderes Problem: sie muss in Werbeblöcken völlig unterschiedliche Zielgruppen in kurz nacheinander folgenden Sequenzen unterschiedlichen Inhalts ansprechen. Was dem einen gefällt, ist für den anderen unerträglich. Alle Werbeagenturen sollten daher ein qualitatives Mindestniveau einhalten, das derzeit leider nicht immer vorhanden ist und viele (!!!) Fernsehzuschauer veranlasst, Werbeblöcke ganz einfach abzuschalten, oder ohne Ton laufen zu lassen.

 

Wie kann Fernsehwerbung gestaltet werden, um das Abschalten zu verhindern bzw. was fordert dazu heraus, den Lautstärkeregler der Fernbedienung gegen „Null“ zu bewegen? Die Frage ist durch wenige Beispiele besser zu beantworten, als durch theoretische Erkenntnisse der Werbepsychologie.

 

Beispiele für gute Werbung:

 

1. Ein Fernsehspot „darf“ unterhaltend bzw. lustig sein: Die Werbung für „ja-natürlich“ (ORF) mit seinem liebenswürdigen „Schweinderl“, ebenso wie die Fruchtikus-Werbung von Darbo sind durchaus Positivbeispiele, den Werbeblock nicht gleich abzuschalten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass „Unterhaltung“ allerdings ein sehr subjektiver Begriff ist und immer eine Gradwanderung bedeutet.

 

2. Werbungen „dürfen“ dadurch positiv auffallen, dass die Werbe-Idee schlüssig und grafisch gut gestaltet ist und auf ein aktuelles Thema hinweist. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Werbung für die Wiederverwertbarkeit von Papier/ Karton (Endlosschleife, nach der Melodie „ein Hund geht um die Ecke“). Im Gegensatz dazu wird im ORF eine an sich grafisch gut gestaltete Serie über „Holz“ und dessen besondere Eigenschaften ausgestrahlt, bei der man durch den Spot leider nicht exakt erfährt, was hinter der Werbeidee steckt und man daher die angegebene Internetadresse „holzistgenial.at“ aufsuchen sollte, um letzte Klarheit zu erhalten. Für mich ist das erste Beispiel überzeugender – denn wer läuft schon vor der nachfolgenden Nachrichtensendung zum Computer, um sich über die vielfältigen Vorteile von Holz zu informieren!

 

3. Werbungen sind besonders geschickt, wenn wie z.B. bei der Öltz-Werbung – durch eine bestimmte Kennmelodie zu Beginn der Bildsequenz „vorausgeahnt“ werden kann, dass nichts Unangenehmes folgt.

 

Auch die derzeit laufende Werbung für den Markenbegriff („Achten Sie auf die Marke“) ist ein Beispiel für gute Werbepsychologie. Marken begleiten unser ganzes Leben und da wir unsere Einstellung innerhalb des Lebens (hoffentlich) verändern, ist auch die Veränderung eines Markensymbols im Laufe der Jahrzehnte gelegentlich notwendig. Wesentlich bei solchen Veränderungen ist, dass das Erscheinungsbild der Marke nur sehr behutsam verändert wird. Ein einziger Fehler kann eine Marke für immer „kaputt“ machen. Die meisten bekannten Markenhersteller haben das erkannt (siehe Anm.) Die oben genannte Markenkampagne ist werbepsychologisch deswegen so gut, weil sie eine Fokussierung auf bekannte Marken bewirkt, dabei gleichzeitig andere (oder neue) Marken verdrängt – ohne diese anzugreifen.

 

Anm.: Es ist bemerkenswert, dass z.B. die Marke Nivea ihr äußeres Erscheinungsbild seit 1911 insgesamt 13 mal, seit 1925 jedoch nur unwesentlich und seit 1970 überhaupt nur noch in Form einer Versachlichung der Schriftzüge verändert hat. Wäre „Nivea“ auf die schnell vorbeiziehenden Modezüge der letzten 7 Jahrzehnte aufgesprungen, gäbe es die Marke wohl nicht mehr.

 

Negativwerbung:

 

1. Vance Packard war u.a. ein Verfechter der unterschwelligen bzw. im Unterbewusstsein verankerten Werbung, was Packard allerdings nicht voraussah war, dass „Unterschwelligkeit“ heute zunehmend „überschwellig“ (z.B. nach dem Muster sex sells) geworden ist. Werbeagenturen begehen immer wieder den Fehler, die Fantasie der Fernsehzuschauer zu unterschätzen und wenn dann mit dem Werbehammer zu kräftig zugeschlagen wird, darf man sich nicht wundern, wenn Werbung peinlich wird.

 

2. Werbung sollte wenigstens irgend eine Zielgruppe ansprechen. Das klingt so selbstverständlich, ist aber bei vielen Fernsehspots nicht immer der Fall – entweder ist die Zielgruppe nicht genau erkennbar, oder die anzusprechende Zielgruppe sitzt zu dieser Zeit (voraussehbar) nicht vor dem Fernsehapparat.

 

3. Ich bin mir ferner nicht sicher, ob ein Fernsehzuschauer einen einzigen Joker mehr im Lotto ankreuzt, weil eine Frau ein Fenster öffnet und einen markerschütternden Schrei ausstößt. Bei Werbungen dieser Art wird der Lautstärkeregler sehr schnell heruntergepegelt, wobei auch alle folgenden Werbespots unter dieser Maßnahme leiden.

 

4. Einfallslosigkeit und Langweile: Heimische Großbanken werben fast durchwegs mit langweiligen, oft peinlich primitiven Filmchen – eine wirklich informative und konkrete Produktwerbung (das einzige, was an einer Bank wirklich interessiert), fehlt meist aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Wenn Banken so wenig Kontrolle über die Wirkung ihrer eigenen Werbung aufwenden, könnte sich mancher Kunde fragen, ob sein der Bank anvertrautes Geld wirklich optimal investiert wird.

 

Abschließend soll ein häufig beobachtetes Problem der Werbebranche angesprochen werden: Die „künstlerische Bildgestaltung“ dominiert sehr oft die mindestens ebenso kreative Gesamtidee einer guten Werbedramaturgie, die immer eine Einheit aus visuellen, akustischen und sprachlichen Bausteinen darstellen sollte – nicht jeder kann bildlich künstlerische Kreativität erkennen und in Kaufsignale umsetzen!

 

 

(2010)

 

 

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