Corporate Identity und Design

 

 

Nivea - (c) Wikipedia, Public Domain

 

 

Corporate Identity (CI) beruht auf der Vorstellung, dass die Gesamtheit eines Unternehmens wie eine Persönlichkeit wahrgenommen wird. CI umfasst nahezu alle Bereiche einer Firma, angefangen vom Auftreten in der Öffentlichkeit durch einen einheitlichen Verhaltenskodex aller Mitarbeiter, die Darstellung einer Firma nach außen durch ein einheitliches Bild hinsichtlich der Werbung bzw. heute in Web-Auftritten und im Audio Branding (Corporate Sound, z.B. bei Intel-Prozessoren), CI will jedoch auch eine bessere Bindung oder Identifikation der eigenen Mitarbeiter mit dem Unternehmen bewirken, mindestens ebenso wichtig ist heute die Einbindung des Kunden in das Gesamtkonzept der CI, insbesondere schließt CI auch das Produkt Design ein.

 

In vielen Bereichen der CI klafft heute ein immer größer werdender Spalt zwischen Theorie und Praxis

 

Der Autor dieses Beitrags wurde 1970 zum ersten Mal mit dem Begriff „Corporate Identity“ im Rahmen eines Seminars konfrontiert, ein Begriff der zwar nicht Thema dieses Seminars war, Führungskräfte jedoch beim Ausfüllen eines Fragebogens mit der Frage irritierte, wie sie ihre Firma beschreiben würden. Die nächsten Führungsseminare waren dann schon gezielte Schulungen zu diesem Thema und in den nächsten Jahren entwickelten viele deutsche Firmen ihre eigenen Vorstellungen von CI. Bei Boehringer Mannheim (dem Arbeitgeber des Autors) wurde eine einheitliche Konzernfarbe (Boehringer Blau) konzipiert, alle Türen wurden blau angestrichen und der Druck aller schriftlicher Aussendungen und Aufdrucke der Arzneimittelpackungen, einschließlich des Firmenlogos, mussten fortan Boehringer Blau tragen. Nach den Richtlinien der CI gut geschulte Außendienstmitarbeiter waren beliebte Gesprächspartner bei Apotheken, bei der Ärzteschaft, weil diese früher von Akademikern bis hin zum Professorenrang betreut wurden. Später taten sich die neuen Pharmareferenten schwerer, weil sie keinen Dr. Titel hatten, obwohl auch sie gut geschult waren. Für die Mitarbeiter wurde eine neue Betriebszeitschrift entwickelt, die speziell zum Aufbau eines „Wir-Gefühles“ gemäß der CI beitragen sollte.

 

Vielfach nahmen die Designer der CI in deutschen Firmen nicht wahr, dass es ein Wir-Gefühl häufig längst gab und die neue Ausrichtung bei der Belegschaft deshalb anfangs nicht verstanden wurde. In großen Traditionsunternehmen bezeichneten sich z.B. die Mitarbeiter der BASF (Badische Anilin und Sodafabrik) als „Aniliner“, weil Anilin in den Gründungszeiten der BASF eine der wichtigsten Erfindungen war. Bei Boehringer Mannheim (intern BM bezeichnet) gab es ein ähnliches Wir-Gefühl („Wir BM’ler).

 

Die meisten theoretischen Ansätze zu Kultivierung einer CI waren richtig – nur schade, dass gleich als der Begriff fest etabliert war, immer mehr Firmen dagegen verstießen. Das begann zunächst mit der fast jährlichen Änderung des äußeren Designs von Fachzeitschriften. Die Benutzer solcher Fachzeitschriften waren in wissenschaftlichen Firmen-Bibliotheken daran gewohnt, die für sie wichtigen Journale unter den ca. 300 wöchentlich bis monatlich neu erscheinenden Ausgaben im Vorraum der Bibliothek auf einen Blick zu erkennen, weil die Ausgaben über lange Zeit ein unverwechselbares Aussehen hatten (die Journale waren üblicherweise alphabetisch, mit der Vorderseite in Regale eingeordnet, sodass man von Weitem aus auf bestimmte Zeitschriften zusteuern konnte). Das änderte sich nun, denn fast jährlich wurde man mit einem komplett neuen Design der Journale konfrontiert, ein Faktum, das die Benutzer ärgerte. Große Tageszeitungen folgten diesem Beispiel, gingen jedoch meist nie so weit, ihr wechselndes Design so vollständig zu verändern, dass ihre Produktidentität verloren ging. Anders ist dies bei Homepages oder online-Produkten von Tageszeitungen oder Nachrichtensendern. Hier wechselt das Layout oft in relativ kurzer Zeit. Nicht immer sind die Veränderungen vorteilhaft für den Benutzer (und damit auch nicht vorteilhaft für die Betreiber der Seiten), zudem geht eine durch die Zeitungen oder Sender aufgebaute Corporate Identy immer mehr verloren, schon deswegen, weil sich die Produkte immer mehr angleichen und damit verwechselbar werden.

 

Am auffälligsten ist der Verlust von Produktidentity bei Kosmetikartikeln. Haarfärbemittel, Shampoos, Haarfestiger, Zahnpasta, Lippenstifte etc. ändern ihr Design so häufig (und grundlegend), dass eine Wiederfindung gewohnter Produkte immer schwieriger wird. Nicht nur die Farbgebung der Produktverpackungen, sondern Namen und Artikelbeschriftungen verändern sich häufig mehrmals pro Jahr. VerkäuferInnen in Drogerieketten antworten auf die Frage, warum das so sein muss meist, dass sie das auch nicht wüssten, jedoch genau so ärgere wie die Kunden. Hier haben Marktstrategen also einen Punkt erreicht, an welchem Produktdesign aus der Corporate Identity eines Markenherstellers bereits vollständig herausgelöst und auch der Kunde nicht mehr in das CI-Konzept eingebunden ist. Das führt dazu, das häufig probeweise zu einem anderen Produkt gegriffen wird, weil sie dem ursprünglichen Produkt nicht mehr vertrauen – oft bleiben Kunden dann bei dem neuen Produkt einer anderen Firma.

 

Es steht außer Frage, dass sich Produktdesign der jeweiligen Zeit gelegentlich anpassen muss, das war auch früher der Fall. Ein typisches Beispiel hierfür ist die vorsichtige Angleichung der Nivea Dose, die sich im Lauf der Jahrzehnte ständig, jedoch in den letzten Jahrzehnten fast unmerklich verändert hat, wer sich davon überzeugen will, kann die Seite aus Wikipedia Nivea anschauen. Wenn Produktdesign sich jeder Modeströmung anpasst, macht es Produkte zu Wegwerfprodukten, was sehr oft zutrifft – jedoch nicht so offen gezeigt werden sollte.

 

Am meisten klaffen heute die Vorstellungen zwischen Theorie und Praxis bei der Annahme auseinander, dass CI die Mitarbeiterbindung an ein Unternehmen festigen könne. In einer Zeit der Globalisierung, in der es zunehmend zu Firmenfusionen, Firmenübernahmen, Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionsauslagerungen in Billiglohnländer und Outsourcing kommt, darf man nicht verlangen, dass MitarbeiterInnen noch eine besondere Bindung an ihr Unternehmen haben. Häufig werden ganze Unternehmensteile “ausgesourced“ und oft gründen ehemalige MitarbeiterInnen kleine Privatunternehmen, die in Auftragsarbeit für ihr ehemaliges Unternehmen, aber zugleich auch für andere Unternehmen arbeiten. Darüber hinaus gibt es immer mehr Teilarbeits – oder Heimarbeitsplätze, besondere für Computerarbeiten. Unter diesen Voraussetzungen ist Corporate Identity hinsichtlich der Einbindung der Belegschaft gegenstandslos geworden.

 

Durch die Veränderungen in unserer Wirtschaftswelt muss der Begriff der Corporate Identity neu im Sinne einer „Global Identity“ umdefiniert werden. Leider haben MitarbeiterInnnen in diesem Konzept keinen Platz mehr, stattdessen muss sich ein Unternehmen weltweit so definieren, dass eine globale Identität entsteht und den Kunden als wichtigsten Partner mehr einbezieht, als ihre Mitarbeiter – nur was können Kunden in Zukunft von den neuen Firmen wirklich erwarten?

 

Ein Großteil aller Konsumgüter (einschließlich Computer und Geräten der Unterhaltungselektronik) werden in Supermärkten bzw. großen Handelsketten gekauft, in denen das Personal ständig wechselt. Großkonzerne wie Microsoft, Sony, Hewlett Packard oder Siemens haben in den meisten Ländern Repräsentanzen, in die auch eine technische Supportabteilung integriert ist. Jeder der mit solchen Supportabteilungen bereits zu tun hatte kann nicht nur Gutes über solche Einrichtungen berichten. Telefonkontakte sind nicht gebührenfrei und oft sogar mit Sondergebühren belastet, wobei der Ratsuchende alle Warteschleifen und Weitervermittlungen bezahlen muss. Es kann durchaus geschehen, dass ein Kunde der in Wien anruft, plötzlich nach Deutschland oder Luxembourg umgeleitet und nicht fachgerecht beraten wird. E-mails werden häufig sehr spät beantwortet, zudem kann ein e-mail Kontakt ein persönliches Gespräch nur selten ersetzen.

 

Globalisierung mag wirtschaftlich notwendig sein, die MitarbeiterInnen der Unternehmen und die Kunden, als Käufer der Produkte werden zunehmend aus dem Gesamtkonzept einer Corporate Identity ausgeklammert – hier müssen sich die Konzerne etwas einfallen lassen.


Anm.: Der Autor dieses Beitrages hat im Schweizer Börsenfachblatt „Finanz und Wirtschaft“ (v. 10. September 2003 und v. 9.Mai 2007) zwei Beiträge zum Thema CI und zur Globalisierung geschrieben. Dieser Beitrag ist eine etwas abgewandelte Form des Beitrages v. 10. September 2003 in diesem Börsenfachlatt.

 

 

(27.05.2010)

 

 

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