Die Hausversammlung

 

 

Hausversammlung - (c) Alfred Rhomberg

 

 

Alljährlich treffen sich die Häuser eines Stadtteils und halten ihre gesetzlich vorgeschriebene Hausversammlung ab. Dass so etwas nicht ohne Streit geht, versteht sich von selbst – in einem Punkt sind sich jedoch alle einig – man will nicht mehr (oder zumindest in deutlich eingeschränkterem Maße) vom Willen seiner Bewohner bzw. Eigentümer abhängig sein. Wie jedes Jahr kommt es zu Grundsatzdiskussionen zwischen Hochhäusern und kleineren Einfamilienhäusern, Diskussionen die stets darauf hinauslaufen, dass Hochhäuser allein auf Grund ihre Höhe und der Zahl ihrer Bewohner eine Sonderstellung innerhalb solcher Versammlungen beanspruchen wollen, gleichzeitig jedoch die Solidarität mit ihren kleineren Kollegen (Ein- und Zweifamilienhäusern) einfordern, weil sie durch die große Anzahl ihrer Bewohner im Gegensatz zu kleinen Häusern besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Einfamilienhaus hat es leicht – wenn es mit seiner Bewohnerschaft von nur 1 bis maximal 5 Personen nicht zufrieden ist, so braucht es nur die jedem Haus anhaftenden latenten Schwachstellen (Heizung, Dach, Wassereinbrüche etc.) etwas vorzeitig zu Akutschwachstellen zu machen und schon bemühen sich die Bewohner, diese schnellstmöglich wieder in Latentschwachstellen zurückzuführen. Bei Hochhäusern, die nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung ihrer Erbauer erstellt werden, sind zwar die Latentschwachstellen ebenfalls vorhanden, jedoch erheblich vielfältiger, der Einwand vieler Versammlungsteilnehmer, diese in Akutschwachstellen in Latentschachstellen rückführen zu können greift jedoch nicht, weil a) die Proteste sehr vieler Hausbewohner lästiger als bei weniger Hausbewohnern sind und b) die Rückführung in Latentschwachstellen von zu vielen Hausbewohnern, Gutachtern, Hausverwaltungen und entsprechenden Gesetzgebungen erschwert und im Ernstfall über Jahre hinaus verzögert werden können. Hochhäuser rechnen in dieser Hinsicht stets mit der Solidarität ihrer kleineren Hauskollegen, welches diese jedoch schon deswegen nicht gewillt sind aufzubringen, weil Hochhäuser in solchen Versammlungen stets die Führungsrolle beanspruchen und daher als hochmütig gelten,selbst wenn sie es gar nicht sind. Die Protokolle solche Hausversammlungen unterscheiden sich aus den geschilderten Gründen daher kaum von denjenigen des Vorjahres, sie werden einfach kopiert und im Uneinverständnis aller Beteiligten und innerlichem Zorn mit deren Unterschriften rechtsgültig gemacht.

 

Der schale Geschmack nach solchen Versammlungen führt aufgrund solcher Neiddebatten all zu oft zum Wunsch einheitlicherer Wohngebiete (d.h. ohne Hochhäuser und Einfamilienhäuser). Man verabschiedet sich innerlich mit nebulösen Gedanken über die Nacheile von Ungleichheit - und wie in kapitalistischen Gesellschaften denken einige Verärgerte sogar über kommunistische Modelle wie Plattenbausiedlungen oder wohlgeordneten Schrebergartenhaussiedlungen nach, bei denen es zumindest auf dem Papier keine kapitalistischen Ungleichheiten gibt.

 

Was von den Verärgerten meist nicht bedacht wird ist, dass es bei kommunistischen Plattenbausiedlungen im Falle von Widerspenstigkeiten Ausschlüsse aus dem Kollektiv und bei Schrebergartenhaussiedlungen sehr strenge - manche sagen sogar „spießige“ - Schrebergartenhausordnungen gibt.

 

(22.2.2013)

 

 

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