Horizont
Ich sitze – nur theoretisch – auf dem Gipfel des Olymps, mehr wollte ich mir für heute nicht vornehmen. Das ginge auch gar nicht, weil ich mich bereits auf dem Hauptgipfel eines Gebirges befinde das weit und breit keine weiteren nennenswerten Herausforderungen bietet. Ich hatte mir freilich etwas mehr erwartet – nicht so viel wie die alten Griechen, die ihre Götter dorthin verbannten, ihnen jedoch immerhin zwölf Wohnungen in einem Palast zugestanden hatten, wo man zu Beratung und Schmaus zusammenzukommen pflegte. Eine einzige geistige Wohnung hätte mir genügt, in der ich eine gute Tiroler Jause mit Tiroler Speck, würziges Tirolerbrot und einen oder zwei Obstler (nach Tiroler Brennrecht) zu mir genommen und dann über die Dinge des Lebens nachgedacht hätte. Wieder nur theoretisch würde auch ein heimischer Zweieinhalbtausender genügt haben – bezüglich der Tiroler Jause wäre ich dann vermutlich kurzfristig vom Pfade der Theorie abgewichen und hätte mich der banalen Realität des Lebens gebeugt, um dann sofort wieder in die geistige Höhe des Olymps (oder Zweieinhalbtausenders) zurückzukehren, in der mir vielleicht die nachfolgende gedankliche Sequenz eingefallen wäre:
Horizont
Diese unerbittliche Grenze zwischen Sichtbarem
und Erahnbarem.
Je höher wir steigen, desto größer wird unser Horizont
(erste Geographiestunde).
Diese Geographiestunde war etwas zu optimistisch – (zweite und dritte Lektion unseres Lebens).
Vielleicht ist die vierte und letzte Lektion ein Quantensprung?
Danach würde ich vielleicht über diesen Quantensprung nachgedacht haben - oder aber, dass der hypothetische oder "instantare" Quantensprung seit Erwin Schrödinger irreführend ist (was zur Unschärfenrelation geführt hatte) oder darüber, dass alles in neuerer Zeit immer noch irreführender und komplizierter wird. Ich hätte dann möglicherweise über eine fünfte Lektion unseres Lebens nachgedacht, vorher jedoch bequemerweise zwei oder drei weitere Tiroler Obstler zu mir genommen, nach denen man - nur theoretisch - die Dinge bekanntlich klarer sieht. Eines ist sicher: die Dinge werden mit oder ohne Tiroler Obstler immer komplizierter. Um meine Enttäuschung über den Olymp zu überwinden, entschloss ich mich für das "mit".
(26.1.2016)