Landleben III – Die Albträume des Jungbauern Michi

 
Albtraum - © Alfred Rhomberg
 

Immer häufiger wachte Michi der Jungbauer in der Nacht durch Albträume schweißgebadet auf. Häufig träumte Michi, er sei gar nicht Michi, sondern ein Unternehmer namens Peter S., der seine duftenden Weiden in vernetzte Schigebiete umgestaltet habe – sogar von Schiliften am Mond hatte er schon geträumt. Ein anderes Mal standen Hunderte von Japanern vor seiner Haustür und wollten Mistgabeln kaufen und als Michi ihnen versicherte, er habe nur eine einzige, boten sie ihm riesige Summen für seine Mistgabel - Summen, die er abschlug, weil er seine Mistgabel ja selbst brauchte. Als die Japaner weggegangen waren, dachte er sich nachträglich: „schön dumm von mir, ich hätte mir für das höchste Gebot etwa 10000 neue Mistgabeln kaufen können!“.

 

 „Träume sind Schäume“ sagt der Volksmund und man sollte ihnen nicht zu viel Bedeutung beimessen. Die Jungbäurin war da anderer Meinung und meinte, Michi solle sich endlich in psychiatrische Behandlung begeben, damit die Nachtruhe wieder ihren gewohnten Verlauf nähme. Schließlich meldete sich Michi – wenn auch widerstrebend – bei einem bekannten Psychiater in der benachbarten Stadt an und schilderte ihm seine Albträume. Anders als erwartet nahm der Psychiater die Schilderungen von Michi sehr ernst – was sich zuerst durch seine ernste Miene und später durch eine hohe Honorarnote äußerte.

 

Die ersten Fragen des Psychiaters zielten auf eine eventuelle schwere Kindheit ab. Michi konnte sich an die Schwere seiner Kindheit nicht erinnern - seine Kindheit wäre seines Wissens normal verlaufen. Der Psychiater lächelte nachsichtig und meinte, normale Kindheiten gäbe es nicht, Normalität könne man nur durch geeignete Vergleichsmaßstäbe definieren und die gäbe es bei Kindheiten eben nicht, weil Kinder ihre Kindheiten stets erst  im Erwachsenenalter als Erinnerung und daher vom Leben gefälscht, aufschreiben. Ob er unter einem autoritären Vater gelitten habe, wollte er dann wissen und Michi antwortete, er habe gar keinen nennenswerten Vater gehabt – zumindest könne er sich an keinen erinnern. Aber seine Mutter könne sich doch an den Vater erinnern und habe Michi vermutlich über seinen Vater berichtet, meinte der Psychiater. Auch das verneinte Michi und fügte etwas verschämt hinzu, er habe auch keine nennenswerte Mutter gehabt. Der Psychiater unterdrückte seine Irritation sofort wieder durch ein berufsbedingtes nachsichtiges Lächeln und meinte kurz: Gut, dann müssen wir anders fragen - er forschte weiter im Leben von Michi und fragte u.a. wie viel Kontakte er mit Frauen gehabt habe. Michi konnte diese Frage nicht beantworten, da müsse der Psychiater schon die Jungbäurin fragen, sie würde das ziemlich genau wissen und habe sogar eine Buchhaltung darüber geführt. Michis Fall begann den Psychiater immer mehr zu interessieren – es würde viele therapeutische Sitzungen geben und er dachte dabei bereits an seine neue Hochseeyacht. Aber Michi konnte plötzlich Gedankenlesen und war keineswegs bereit, dem Psychiater seine Hochseeyacht zu finanzieren. Hunderttausende von Euro nahmen ihm fast die Sinne – Gott sei Dank wachte er dabei wieder von einem seiner Albträume auf und der Psychiater löste sich zu einem ganz normalen Gerichtsvollzieher auf, der seine beste Milchkuh, die Milli, pfänden wollte, weil Michi die letzte Rate für deren Ankauf noch nicht bezahlt hatte. Michi griff lächelnd in seine Hosentasche und bezahlte die Rate aus dem Geld, dass er sich dadurch erspart hatte, nicht die Hochseeyacht des Psychiaters finanzieren zu müssen. Durch die Befreiung von seinen Schulden begannen auch seine Albträume langsam abzuflauen bis seine frühere normale Nachtruhe wieder hergestellt war - allerdings fielen ihm die geträumten Worte des Psychiaters ein, der sicherlich gemeint hätte, dass es auch keine Normalität bei Nachtruhen gäbe (wegen des Fehlens von Vergleichmaßstäben, z.B. waren die Nachtruhen der Jungbäuerin manchmal schon etwas zu normal – was immer sie auch damit ausdrücken wollte). Für Michi wurden seine Nachtruhen ohne Albträume langsam immer langweiliger und so schrieb er ein e-mail an seinen Psychiater:

 

Lieber Psychiater, Univ.Prof.Dr.Dr. P.,
und möchte ich mich entschuldigen, den Sitzungstermin bei Ihnen abgesagt zu haben und wollen Sie bitte so freundlich sein, den Termin wieder vorzumerken, da ich meine Albträume vermisse und mein Leben dadurch fad geworden ist und ob er ihm wenigstens einen Teil davon (seinen Albträumen) wieder beschaffen könnte. Manchmal kann ich mir jetzt ein Leben als Unternehmer Peter S. schon durchaus vorstellen und die Jungbäuerin wäre besonders daran interessiert, Unternehmerin oder zumindest Unternehmersgattin zu sein. Gerne werde ich Ihnen ein paar Kilo gut geräucherten und durchzogenen Speck zukommen lassen (allerdings im Supermarkt gekauft – ich selbst bin ja nur Milchbauer und alle meine Versuche, aus Kühen – schon wegen der tiefen Milchpreise – einen wohlschmeckenden Speck herzustellen – sind bisher gescheitert).
Mit untertänigen Grüßen,
Michi,der Jungbauer vom Hanslhof

 

(Version 18..10.2015)

 

 

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