Humanismus – philosophische Phantasterei oder politische Hoffnung?
Der Humanismus wurde in der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert als Reaktion auf die mittelalterliche Scholastik in Erinnerung an die philosophischen Ideale des alten Griechenlands „wiedergeboren“. Namhafte Philosophen wie Erasmus von Rotterdam, später Immanuel Kant, Johann Gottfried Herder und Wilhelm von Humboldt waren die Bahnbereiter des Humanismus und Schriftsteller wie Schiller und Goethe fühlten sich dem Humanismus streng verbunden. Es ist nicht Absicht dieses Beitrages, näher auf die Geschichte des Humanismus einzugehen – hier wäre die Wikipedia-Enzyklopedie ein gutes Nachschlagkompendium
http://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus#Renaissance-Humanismus
Ziel dieses Beitrages ist es, eine etwas ernüchternde Bilanz über den Humanismus als „politische Grundlage oder Hoffnung“ zu ziehen – obwohl Gedanken des Humanismus in moderner Form zweifellos die Basis der Charta der Vereinten Nationen bilden, deren Gedanken im deutschen Grundgesetz und in den Verfassungen nicht nur von Ländern wie Österreich und der Schweiz weiter konkretisiert wurden.
In der Präambel der Charta der Vereinten Nationen heißt es:
„Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet […]“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte)
In der modernen Philosophie werden die Gedanken des Humanismus je nach philosophischer Richtung so ausgelegt, dass sie in unterschiedliche ethische, soziale oder politische Konzepte passen. Es ist ein Verdienst moderner Philosophen, den christlichen oder auch in anderen Religionen verankerten Humanismus (Islam, Judentum, Buddhismus etc.) von einem religiösen Humanismus zu lösen (Feuerbach, Karl Marx, Foucault, Sigmund Freud, Sartre und viele andere).
Die Loslösung des Humanismusbegriffes von der Religion war deswegen erforderlich, weil nicht alle Menschen religiös sind und trotzdem den Humanismus als Basis ihres Denkens begreifen.
Ein interessantes Zitat von Jean-Paul Sartre:
„Es gibt kein anderes Universum als ein menschliches, das Universum der menschlichen Subjektivität. Diese Verbindung von den Menschen ausmachender Transzendenz – nicht in dem Sinn, wie Gott transzendent ist, sondern im Sinn von Überschreitung – und Subjektivität in dem Sinn, dass der Mensch nicht in sich selbst eingeschlossen, sondern immer in einem menschlichen Universum gegenwärtig ist, das ist es, was wir existentialistischen Humanismus nennen.“
Die Ohnmacht des Humanismus in der Politik
Immer wieder sind Idealisten darüber enttäuscht, dass die Politik offenbar durch Verhandlungen nichts bewirken kann. Dies beobachten wir in letzter Zeit besonders in den Unruheherden wie Afghanistan, Irak, Palästina, Israel aber auch in Diktaturen wie Syrien oder der letzten Diktatur Europas: Weißrussland.
Anm.: Auch Verhandlungen der damaligen Politiker Englands und Frankreichs mit Hitler hätten seinerzeit zu keinen Ergebnissen geführt.
Tatsache ist, dass die genannten Konflikte weder durch den Humanismus metaphysischer Prägung, noch moderne philosophische Auslegungen (bis hin zum Pazifismus) gelöst, sondern nur verzögert werden können, wobei jedem klar sein sollte, dass jede diplomatische Verzögerungstaktik die Zahl der Opfer in den betroffenen Gebieten täglich erhöht und nur selten zu einer Neuordnung der betroffenen Region führt.
Muss man deswegen verzweifeln?
Das ist jedem selbst überlassen - es sei aber jedem geraten, sich den Realitäten (nicht nur unserer modernen Zeit) zu stellen und zu akzeptieren, dass Kriege – auch religiöse – in erster Linie Wirtschaftskriege waren und sind. Es mag für Idealisten schmerzlich sein, dass demzufolge auch nur wirtschaftlichen Maßnahmen der Erfolg beschieden sein dürfte, derzeitige Konfliktsituationen auf unserer Erde bereinigen zu können.
Bei jedem der derzeit aktuellen Konflikte gilt:
Die Konfliktländer besitzen Bodenschätze (in erster Linie Öl oder Erdgas)
Die Welt der Industrienationen ist an diesen Bodenschätzen interessiert.
nur bei wenigen Ländern spielen historische Entwicklungen eine ausschlaggebende Rolle (u.a. beim Konflikt zwischen Israel und Palästina).
Der Primat der Wirtschaft
Die ernüchternde Bilanz unserer insgesamt friedlicheren Welt sind wirtschaftliche Interessen. Dies gilt für die Europäische Union, ebenso wie für andere Wirtschaftsnationen (USA, China, Indien, Russland etc.).
Jeder ist durch die Globalisierung der Wirtschaft von jedem abhängig – Kriege wären in dieser globalisierten Welt die untauglichsten Mittel, Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Man kann allen Globalisierungsgegner nur immer wieder vor Augen halten, dass sich niemand - weder heute noch früher - dem Primat der Wirtschaft entziehen konnte.
Was heißt das in der Praxis?
Sich über Monate hinziehende diplomatische Verhandlungen mit Potentaten, die sich hartnäckig sträuben auf Zugeständnisse einzugehen oder eine unerträgliche Hinhaltetaktik spielen sind völlig nutzlos – sie kosten täglich unzählige Menschenleben (u.a. in Syrien). Das einzig wirksame Gegenmittel sind strengste wirtschaftliche Sanktionen, die alle Bereiche (leider auch humanitäre) betreffen. Alle in Frage kommenden Länder sind keineswegs autark, sondern auf Importe jeglicher Art (auch Waffen) angewiesen. Ausländische Konten sollten rigoros gesperrt werden. Leider sind auch die dem ursprünglichen Gedanken des Humanismus verhafteten Institutionen wie das Rote Kreuz letztlich machtlos, sie sind allenfalls ein winziger Tropfen auf einen heißen Stein, der mehr das eigene Gewissen beruhigt als effektiven Nutzen schafft.
Werden solche wirtschaftlichen Sanktionen lückenlos eingehalten und auch Sanktionen gegen Länder beschlossen, die gegen das Sanktionsverbot verstoßen, käme es vermutlich zu Entwicklungen, wie wir sie in Ländern wie Libyen, Ägypten oder Tunis bereits erlebt haben: die eigene Bevölkerung wendet sich zunehmend von ihren Machthabern ab. Das lässt sich selbst durch Internetverbote und den Einfluss u.a. durch Facebook in unserer Zeit kaum mehr über einen längeren Zeitraum verhindern.
Diese konsequente Wirtschaftsblockade mag zunächst weitere Menschenleben kosten, diese waren bisher leider auch durch diplomatische Bemühungen nicht vermeidbar. Eingriffe in die Innenpolitik von Staaten, sei es durch Kriege oder kriegsähnliche Bemühungen als Schutzmacht sind untaugliche Mittel, archaischen Ländern unsere Vorstellungen von Humanismus „einzuhämmern“.
Apropos Weißrussland: das Land gehört zwar nicht zu den „archaischen“ Ländern des Globus, aber es ist die letzte Diktatur Europas. Ein Boykott und wirtschaftliche Sanktionen könnten auch den letzten Diktator Europas Lukaschenko zu Fall bringen.
So leid es dem Autor dieses Beitrages mit seinen ursprünglich dem philosophisch verhafteten Vorstellungen zum Humanismus tut – die Philosophie ist oft eine Wissenschaft des Wünschenswerten, aber keine Anleitung, wie das Wünschenswerte praktisch umgesetzt werden kann. Solche Erfahrungen sind schmerzlich, gehören jedoch zu den unangenehmen Realitäten unseres Daseins.
(2010)