Das kleine Land Ostarrichi II – „Die kaiserlose, die schreckliche Zeit“

 

Ostarrichi II - © Alfred Rhomberg, Montage Ostarrichi-Patent (996 n. Chr.)

 

Zu Beginn als Einstimmung noch einmal der erste Absatz des Beitrages „Das kleine Land Ostarrichi zwischen Phäakentum und Utopia“:

 

„Es war einmal ein kleines Land namens Ostarrichi. Das Land wurde von zwei Königen und einem, der gerne König werden wollte, beherrscht. Daneben gab es neun Herzöge, die aber nur in ihrem eigenen kleinen Bereich mehr oder weniger recht und schlecht regieren konnten. Eigentlich bildeten sich die Könige nur ein, ihr Land zu beherrschen, denn das Volk ist undankbar und lässt sich nur von solchen KönigInnen beherrschen, die ihnen Vorteile versprechen und daher versprach jeder von ihnen alles, auch wenn sie es nicht besaßen“.

 

Inzwischen sind viele Jahre ins Land gegangen. Neun Herzöge gibt es noch immer, sie sind zwar selten einer Meinung, das eigentliche Problem ist jedoch, dass von sieben Königen nur drei Könige und eine Königin die erforderliche Macht haben, um Unruhe in dem kleinen Land zu stiften. Außerdem gibt es noch einen „Oberkönig“ (Kaiser/ Präsident) der nach den geschriebenen Gesetzen (Verfassung) ziemlich viel Macht besäße, die er aber bisher nur äußerst selten ausgeübt hat, sodass es allzu fortschrittsgläubige Unterkönige gibt, die meinen, man brauche den Oberkönig eigentlich gar nicht. Wie wichtig ein Oberkönig jedoch wirklich ist, merkt die Bevölkerung sehr schnell, wenn keine Opernbälle mehr eröffnet werden können, oder wenn die ostarrichischen Könige der Schweiz den Krieg erklären wollten, was der Oberkönig nie zugelassen hätte. Ganz besonders würde die Bevölkerung jedoch das Fehlen des Oberkönigs spüren, wenn am Ende seiner Amzszeit Neuwahlen des Oberkönigs erforderlich sind. In einem solchen Fall mussten z.B. zunächst viele Millionen der kostbaren Ostarrichi-Thaler für einen Wahlkampf zwischen geeigneten und ungeeigneten KanditatInnen verpulvert werden, wobei die Eignung zum Oberkönig bzw. zur Oberkönigin vom eher unkundigen Volk und dessen emotionaler Zu- oder Abneigung bestimmt wurde. Übrig blieben – so wird berichtet - zwei Kandidaten mit ungefähr gleicher Stimmenzahl. Als sich jedoch trotz der komplizierten Wahlregeln einer von ihnen für das Amt des Oberkönigs behaupten konnte, wurde er sofort zum Oberkönig ernannt, ohne abzuwarten, ob der unterlegene Kandidat nicht einen hohen übergeordneten Gerichtshof anruft, um das Wahlprozedere überprüfen zu lassen, und obwohl es keine Hinweise auf Wahlmanipulation gab, wurde das Wahlergebnis annuliert, weil dieses durch „ostarrichische Schlampereien“ nicht ganz ordnungsgemäß zustande gekommen war. Nach dieser Annullierung kam es in Ostarrichi dann zur „kaiserlosen der schrecklichen Zeit“, wie so ein Interregnum in einer Ballade von Friedrich Schiller einmal genannt wurde (1). Nun warten die Ostarrichier darauf, dass das entstandene Interregnum möglichst bald wieder durch einen gütigen Kaiser (siehe Schillers Ballade) beendet wird, sodass der nächste Opernball wie gewohnt eröffnet werden kann oder sich das wehrhafte Tirol nicht in der Zwischenzeit mit Südtirol und dem Trentino verbündet und eine Abtrennung (TIROLEXIT) von Ostarrichi vollzieht. Ob die für ein solches Interregnum vorgesehene Überbrückung durch zwei Ersatzherzöge und einer Ersatzherzogin wirklich ausreichte, um derartige Unbotmäßigkeiten zu verhindern, darf bezweifelt werden.

 

Das Schlimmste was ein zukünftiger Oberkönig während eines erneuten Wahlkampfes dem oft unkundigenVolk vermitteln könnte, sind Versprechungen, die nach seiner Wahl nicht einhaltbar sind, daher überlässt er solche Ungemächlichkeiten dann lieber seinen Unterkönigen, denen jedoch ihr populististischer Machterhalt wichtiger ist, als dem Volk unangenehme Entscheidungen (z.B. Steuererhöhungen) zu verordnen. Durch diese Delegierung auf seine Könige und Herzöge hat der repräsentative Oberkönig genügend Zeit, um Opernbälle zu eröffnen, Neujahrsansprachen zu halten und geeignete oder ungeeignete Könige/Herzöge anzugeloben. Auch die Verleihung von Staatspreisen an SportlerInnen, KünstlerInnen und gelegentlich sogar WissenschaftlerInnen (!), sowie der Empfang hoher ausländischer Würdenträger gehört zu seinen Pflichten.

 

Im Wandel der Zeiten haben sich auch die modernen Ostarrichier gegenüber dem eingangs erwähnten ersten Beirag verändert bzw. dem weltweit herrschenden Konsumtrend angeschlossen.  Das „Utopia“ von Thomas Morus ist längst kein Thema mehr, sondern beschränkt sich auf die Utopie, einmal Fußballweltmeister zu werden Der Wissensdurst der Ostarrichier hält sich durch neu entwickelte (schlechte) Bildungssysteme in Grenzen und was das „Phäakentum“ betrifft, so ist dieses einer kleinen wohlhabenden Oberschicht in Form von erlesenen Festspielen vorbehalten. Und doch:

 

Es lohnt sich noch immer, in dem schönen kleinen Ostarrichi zu leben oder das Land als TouristIn zu bereisen: nirgends auf der Welt gibt es im Winter so viele Schneekanonen und in den übrigen Monaten so viele Möglichkeiten als „Bergwanderer“ tödlich zu verunglücken.

 

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(1)   Das geschichtlich bekannteste Interregnum (1246–1282) wurde von Friedrich Schiller in seiner Ballade „Der Graf von Habsburg“ beschrieben, eine Ballade, die in unserer Zeit wegen ihres kaum mehr mehr erträglichen Pathos nur auszugsweise wiedergeben weren soll:

 

Der Graf von Habsburg (Friedrich Schiller)


Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, 
im altertümlichen Saale, 
saß König Rudolfs heilige Macht 
beim festlichen Krönungsmahle. 
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, 
es schenkte der Böhme des perlenden Weins, 
und alle die Wähler, die sieben, 
wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt, 
umstanden geschäftig den Herrscher der Welt, 
die Würde des Amtes zu üben.

Und rings erfüllte den hohen Balkon 
das Volk in freud'gem Gedränge, 
laut mischte sich in der Posaunen Ton 
das jauchzende Rufen der Menge. 
Denn geendigt nach langem verderblichem Streit 
war die kaiserlose, die schreckliche Zeit, 
und ein Richter war wieder auf Erden....

 

etc.

 

(5.7.2016)

 

siehe auch: Tirol/Österreich:  "Das kleine Land Ostarrichi zwischen Phäakentum und Utopia"

 

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