Firmenfusionen – wann sind Fusionen sinnvoll?

 

 

 

Stark verändertes Bild einer Wikipediadarstellung der Kernfusion als Beispiel für eine "gelungene" Fusion - siehe Anmerkung am Schluss des Beitrags

 

 

 

Durch den Zusammenschluss von Firmen oder durch Aufkauf kleinerer Firmen von größeren entstehen immer komplexere und auch für Finanzanalysten schwierig zu durchschauende Firmenkonglomerate, die beim Großteil der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen. Die Ablehnung beruht in erster Linie darauf, dass bei den ursprünglich heimischen Firmen oft Arbeitsplätze nach einer Fusion verloren gehen. Firmenfusionen sind keine Erfindung unserer Zeit, die Adam Opel AG gehört als deutscher Automobilhersteller bereits seit 1929 zum US-amerikanischen Automobilkonzern General Motors, wobei sich diese Fusion (oder Partnerschaft) über einen sehr langen Zeitraum gut bewährt hat. Es gab viele derartiger gelungener Fusionen über die man heute kaum mehr spricht. Tatsächlich hat sich in den letzten Zweijahrzehnten das Fusionsfieber allerdings erhöht, sodass die Frage berechtigt ist, ob solche Fusionen wirklich immer sinnvoll sind.

 

Wovon hängt der Erfolg von Firmenfusionen ab – und warum sind sie manchmal notwendig?

 

Der österreichische Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hatte am 20.12.2008 in einem ORF-Pressegespräch festgestellt, dass Firmenfusionen, bei denen im Wesentlichen nur Arbeitsplätze verloren gehen, nicht angestrebt werden sollten. Der Kardinal hat mit dieser Feststellung im Prinzip recht, wenn der Erfolg nämlich nur auf Personaleinsparungen beruht. Warum es in der letzten Zeit zu so vielen Großfusionen gekommen ist, hat jedoch auch andere Gründe, von denen die wichtigsten nachfolgend näher betrachtet werden sollen.

 

Diversifizierung

 

Oft ist eine sinnvolle Diversifizierung im eigenen Konzern aufgrund fehlender Resourcen nicht möglich. Die Diversifizierung dient zu einer Vergrößerung der Angebotspalette und zu größerer Marktabdeckung. Solche Fusionen sind im Allgemeinen nicht mit Arbeitplatzverlusten verbunden, weil es meist keine sich überschneidenden Produktionseinheiten gibt. Die Vermarktung der neuen Marktsegmente wird oft den ursprünglich eigenständigen Firmen überlassen, weil diese mehr Erfahrung über ihre eigenen Produkte haben. Oft werden sogar die alten Firmennamen beibehalten, weil diese den Verbrauchern von je her bekannt sind. Ein typisches Bespiel ist der Nestlé Konzern, der neben seinen Kaffeeprodukten auch Produkte wie Mineralwasser von San Pellegrino und Perrier, Eis von Mövenpick, Babynahrung von Alete, Fertiggerichte und Pasta (Buitoni), Würzprodukte mit Thomy und Maggi, Wurstwaren (Herta) und viele andere vermarktet.

 

Fusionen aus Überlebensgründen

Als typisches Beispiel sind hier Fusionen in der Pharmaindustrie anzuführen. Zwar können auch kleinere Firmen überleben, jedoch nur dann, wenn diese keine innovative Pharmaforschung betreiben und nur Generica produzieren, wobei die gesamten Forschungs-, Entwicklungs- und Zulassungskosten wegfallen, siehe auch: Was sind Generica – sind sie schlechter? Wenn die Grundpatente abgelaufen sind, können solche Arzneimittel daher von jeder Firma (unter einem anderen Namen) kostengünstig produziert werden. Auch Firmen, die altbekannte Rezepturen von Tees, oder Extrakte aus gewissen natürlichen Stoffen, die nicht rezeptpflichtig sind herstellen, haben nur geringe Entwicklungskosten und sind oft erstaunlich klein. In der klassischen Pharmaindustrie, die ganz neue Wirkstoffe erzeugt, war es noch bis etwa 1975 möglich, mit einer Mitarbeiterzahl von etwa 2000 bis 20000 Angestellten gute Gewinne zu erwirtschaften. Zu dieser Zeit konnten es sich diese Firmen auch noch leisten, nur Teilmärkte zu beliefern, sodass damals etwa 30 unterschiedliche Betablocker (Blutdrucksenkungsmittel) oder Tranquillizer (Beruhigungsmittel) am Weltmarkt konkurrierten, wodurch es zweifellos durch die Wettbewerbssituation zu einer starken Verbesserung solcher Substanzen kam. Seitdem die Forschungs- und Zulassungskosten immer größer wurden, ist ein Gewinn nur dann noch erzielbar, wenn ein Medikament weltweit vermarktet wird. Das ist aber nur dann möglich, wenn Wirkstoffe hochinnovativ sind, d.h. wenn sie auf einem völlig neuen, nachweisbar erfolgreichen Wirkprinzip beruhen. Da solche Stoffe heute fast immer die genaue Kenntnis der biochemischen Mechanismen im Organismus erfordern und die Wirkstoffprodukte zunehmend auch mit gentechnologischen Methoden erzeugt werden (komplizierte Eiweiße lassen sich meist nicht synthetisch herstellen) ist die Fusion mit anderen Firmen, die über das entsprechende Know-how verfügen unumgänglich notwendig. Die Entwicklungskosten solcher Stoffe sind inzwischen derart hoch, dass diese nur noch von sehr großen Firmen und weltweiter Vermarktung entwickelt werden können (Roche, Novartis, Pfizer, Glaxo Smith Kline u. einige andere).

 

Das gilt auch für innovative Industriesparten der Phramidustrie, der Elektronik- und Softwareindustrie (IBM, Intel, Microsoft u.a.), wobei alle diese Firmen zwischen 85000 (Roche) bis 386000 (IBM) Mitarbeiter beschäftigen.

 

Bei solchen Fusionen ist es oft nicht vermeidbar, Mitarbeiter abzubauen, weil die einzelnen Firmen sich in ihren Forschungs- und Produktionsbereichen teilweise überschneiden. Meist werden dann nach einiger Zeit jedoch wieder neue Mitarbeiter eingestellt.

 

Weitere sinnvolle Fusionen

 

Der Kauf von Unternehmen in den ehemaligen Ostblockländern durch westliche Unternehmen war deswegen sinnvoll, weil es in den meisten dieser Länder einen großen Nachholbedarf gibt und das technische sowie das Management Know-how fehlten. So hatten z.B. österreichische Banken oder die österreichische Mineralölgesellschaft OMV anfangs sehr gute Erfolge – die jetzt allenfalls durch das eingetrübte Wirtschaftsklima leiden. Länder, in denen es keine Kreditwirtschaft, keine Bausparkassen und keine privaten Versicherungen gab, sind über die ausländischen Firmeneigentümer froh, weil sie meist einheimisches Personal einsetzten, wodurch Arbeitsplätze geschaffen werden.

 

Fragwürdige Fusionen

 

Kontinentübergreifende Fusionen großer, jedoch vom Produkt her ähnlicher Firmen wie z.B. Daimler Chrysler, deren Ziel darin bestand den amerikanischen Markt weiterhin mit den in den USA erwünschten Großlimousinen bzw. den europäischen Markt weiter mit Daimler Autos zu versorgen, sind – wie die Vergangenheit zeigte – problematisch, weil beide Firmen nicht besonders innovativ waren. Die Fusion hatte damals zwar kaum Arbeitsplätze gekostet, war jedoch von Anfang an gerade wegen der fehlenden Innovationskraft keine glückliche Managemententscheidung. Inzwischen kam es daher wieder zur Trennung des Daimler Chrysler Konzerns, wobei Chrysler wegen absolut fehlender Innovationsansätze schlechter dasteht, als der Daimlerkonzern, der durch die in Deutschland politisch erzwungenen Klimaschutzvorgaben jetzt unter starkem Zugzwang steht, in Zukunft innovativere Modelle anzubieten.

 

Zu den nicht geglückten Fusionen zählt auch die Fusion des Versicherungskonzerns Allianz mit der Dresdner Bank, weil das Management, die Möglichkeiten Versicherungsprodukte in den Banken und typische Bankprodukte durch Versicherungsvertreter zu verkaufen, falsch einschätzte. Den verantwortlichen Managern war nicht bewusst, dass das Versicherungsgeschäft und das Bankgeschäft im Grunde völlig unterschiedliche Geschäftsfelder sind, obwohl beide vom Geld anderer leben. Solche Fusionen führen fast immer zu Personalabbau ohne dass solchen Fusion wirschaftlicher Erfolg beschieden ist.

 

Und schließlich gab es Fusionen, die nur zustande kamen, weil das Firmenimage der Konzerne (und deren Spitzenmanager) es verlangte, mit anderen Großkonzernen mitzuhalten, ohne dass solche Fusionen wirtschaftlich notwendig waren.

 

Resumée

 

1.  Mittelgroße Unternehmen die kostenaufwendige innovative Produkte erzeugen, brauchen starke Partner und müssen Fusionen eingehen, um nicht unterzugehen.

 

2. Kleinere Firmen können mit hochinnovativen Produkten eine gewisse Zeit Gewinne erzielen, solange bis sie große Teile des Weltmarktes erobert haben. Dann ist es aber dringend erforderlich, mit ausländischen Firmen einer ähnlichen Produktpalette zu fusionieren und sich gegebenenfalls auch von weniger innovativen Produktlinien zu trennen.

 

3. Firmen, die aus Imagegründen fusionieren, weil deren Manager glauben, dass Größe allein schon genügt, um Aufmerksamkeit am Weltmarkt zu erringen, sind die zukünftigen Kandidaten für „Heuschrecken“, die solche Firmen aufkaufen, sobald die ersten Probleme auftauchen, das Firmenkonglomerat filettieren und die gewinnträchtigen Segmente zu höherem Preis weiterverkaufen.

 


Anmerkung: Das Bild einer Wasserstoff-Fusion, bei der aus einem Deuterium- und einem Tritiumatom (beides Wasserstoffisotope) ein Heliumkern und ein Neutron unter Energieabgabe gebildet wird, ist ein gutes Beispiel für gelungene Fusionen. Auch wenn bei Firmenfusionen nicht annähernd solche synergetischen Kräfte frei werden, wie bei der Explosion einer Wasserstoffbombe, sollten doch bei Firmenfusionen irgendwelche wirtschaftliche Effekte erzielt werden. Der Vergleich lässt sich sogar weiterspinnen, nämlich dass ebenso wie bei der Wasserstoff-Fusion ein Neutron freigesetzt wird, bei Fimenfusionen meist Mitarbeiter freigesetzt werden – hier hört aber dann der Vergleich definitiv auf bzw. wird makaber.

 

(9.8.2012)

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