Ist Freiheit die Option zwischen Alternativen zu unterscheiden?
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dürfen, müssen, sollen, wollen,
viele Alternativen bietet das Leben nicht.
anderereits:
ich darf einiges, ich sollte vieles und will sehr viel mehr -
sind das nicht Alternativen genug?
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Diese Zeilen schrieb ich einmal etwas zu leichtfertig – beim späteren Nachdenken wurde die Sache schnell kompliziert – besonders, als ich mich mit dem Instrumentarium der Philosophie dem Begriff der „Alternativen“ näherte und zusätzlich versuchte, diesen Begriff mit der Psychologie abzugleichen – ein fast hoffnungsloser Prozess.
Da ergäbe sich zunächst die Frage, wie viele Alternativen überhaupt vernünftig wären und käme dann vielleicht zu der Antwort: so viele wie möglich! Das wäre sehr leichtsinnig, denn wer allzu viele Alternativen hat, gerät sofort in das psychologische Dilemma, welches am besten mit dem bekannten Begriff „Qual der Wahl“ charakterisiert ist.
Hätten wir nur eine einzige Option, können wir uns logischerweise nicht entscheiden, wir müssten automatisch diese Option wählen. Also brauchen wir zumindest zwei Optionen, die sich leider gegenseitig auch ausschließen könnten. Die Wahl wird in jedem Fall ab zwei Alternativen zu einem Bewertungsproblem: wir müssen entscheiden, welche Alternative die bessere ist. Wer all zu viele Alternativen hat, würde genau an diesem Problem scheitern, denn zu viele Alternativen machen die Bewertung zu einem langwierigen, schwierigen und unsicheren Prozess.
Die Frage der „richtigen“ Anzahl an Alternativen ist nicht beantwortbar, die Zahl von ca. 3 – 4 Alternativen schiene aus psychologischen Gründen vielleicht “vernünftig”, weil wir erst ab drei Optionen die Entscheidungsfreiheit haben, zwischen „besseren“ und “schlechteren” Alternativen entscheiden zu können, ohne in die vertrackte Situation des „entweder-oder“ zu kommen(1).
Wenn wir das Instrumentarium der Philosophie anwenden, kommen wir zu der bis heute ungelösten Frage, ob wir überhaupt frei entscheiden können, eine Frage, die angefangen von der griechischen Antike, über die Aufklärung bis heute in der modernen Neurohysiologie ein unerschöpfliches Thema ist, das hier nicht vertieft werden soll(2). Die Philosophie unterscheidet darüber hinaus zwischen einer bedingten und unbedingten Willensfreiheit.
Die bedingte Willensfreiheit hält den Willen für frei, wenn frau/man seinen Willen nach eigenen persönlichen Motiven und Neigungen gebildet hat und tun und lassen kann, was frau/man will. Am schönsten hat das Schopenhauer in dem Satz zusammengefasst:
“der Mensch könne tun, was er will, aber er könne nicht wollen, was er will”
Schwieriger ist es mit der unbedingten Willensfreiheit, weil in diesem Konzept nur frei gedacht werden kann, wenn das Wollen wirklich von nichts abhängt, also durch nichts bedingt ist.
Dieser kleine Beitrag soll an dieser Stelle mit einem Zitat von Torsten de Winkel (1999) abgebrochen werden, das die ganze Problematik der unbedingten Willensfreiheit recht griffig erfasst:
„Die einzige Möglichkeit, einen wirklich freien Willen zu manifestieren, wäre, etwas zu tun, wozu es keinerlei Veranlassung gibt. Und da dies selbst die Veranlassung wäre, ist dies unmöglich.“
(1) Wir merken dies zunehmend in unseren europäischen Demokratien, in denen die Zahl der theoretisch wählbaren Parteien trotz 4 oder 5 Prozenthürden im Wachsen begriffen ist. Die USA haben uns in dieser Beziehung mit ihrem de facto-Zweiparteiensystem etwas voraus, ein solches System erspart den Wählern, sich zwischen 5, 6 oder noch mehr Parteien (z.B. in Italien) zu entscheiden – allerdings mit dem Nachteil des „entweder-oder“.
(2) Die Neurophysiologie versucht experimentell zu beweisen, dass eine aus dem Augenblick geborene Entscheidung in Wirklichkeit längst im Gehirn vorbereitet ist. Ob dies durch gespeicherte Lernprozesse oder die uns angeborene Physiologie des Gehirns vorgegeben ist, bleibt jedoch auch weiterhin eine spannende nicht gelöste Frage.
(4.06.2012)