Schlutzkrapfen

 

 

Leichenschmaus (c) Alfred Rhomberg

 

 

Ich mag solche Gegebenheiten nicht – gelegentlich kann ich mich ihnen jedoch nicht entziehen, besonders wenn es mein eigener Leichenschmaus ist. Es ist eine letzte Gelegenheit mit Freunden und Bekannten zu sprechen, die ich lange nicht mehr gesehen hatte und es erstaunte mich, wie schnell sich Tränen zunächst in Erinnerungen an mich auflösten, sich nach und nach von meiner Person abwendeten und in Tagesgespräche übergingen in denen ich keinen Platz mehr hatte.

 

Deswegen wollte ich zuerst auch gar nicht hingehen, weil ich den Ablauf solcher Gegebenheiten kenne, Feste kann man sie ja nicht gut nennen. Ich fand mich eigentlich nur deswegen ein, weil ich verfügt hatte, dass es neben anderen Speisen Tiroler Schlutzkrapfen geben sollte, was nicht als Ehrerbietung an meine Heimat Tirol, in welche ich Südtirol stets einschloss, gedacht war, sondern weil ich gute Tiroler Schlutzkrapfen für mein Leben gerne esse. „Für mein Leben gern“ war ein gedanklicher Lapsus, wie ich gerne einräume, ich möchte jedoch diejenigen sehen, die nicht gelegentlich solche Fehlleistungen begehen, wobei ich es nur übel nehme, wenn sie zu Lebzeiten begangen werden.

 

Was ich der anwesenden Gesellschaft allerdings verübelte war, dass sie, obwohl dem Anlass entsprechend dunkel gekleidet, so fröhlich lachten, selbst als sich die inzwischen aufgetragenen Schlutzkrapfen als aus kulinarischer Sicht, „unter jeder Kritik“ herausstellten und dies von den anwesenden Gästen nicht einmal bemerkt wurde. Offenbar hatte ich das Niveau meines ehemaligen Bekanntenkreises überschätzt, denn jemand die/der einerseits jede Fehlentscheidung des Schiedsrichters beim letzten Fußballspiel, nicht aber die Feinheiten echter Tiroler Schlutzkrapfen kennt, hätte ich zu Lebzeiten nicht zu meinem Freundeskreis gezählt.

 

Es erübrigt sich auf Einzelheiten dieser, gastronomisch gesehen, absurden Vorstellung echter Tiroler Schlutzkrapfen näher einzugehen, weil schon beim unabdingbar richtigen Gleichgewicht von Weizen- und Roggenmehl und deren vom Aschegehalt abhängigen Schlutzkrapfenqualität klar wurde, dass der verantwortliche Koch weder die beim Weizenmehl erforderliche Type 405, noch beim Roggenmehl die Type 997 verwendet hatte – es braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, dass bei solchen Fehlleistungen auch die Füllung und deren Würzung nicht geraten war, weshalb ich mich still von meinem Leichenschmaus verabschiedete und beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit in einem anderen Restaurant und einem besseren FreundInnenkreis zu wiederholen.

 

Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli (Ovid) – Ein Barbar bin ich hier, da ich von keinem verstanden werde.

 

(2011)

 

 

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