Die Flucht aus dem Alltag

 


Maja-1 - © Alfred Rhomberg

 

 

Es war wieder Abend geworden und obwohl jeder normale Tag so endet, hatte ich das Gefühl, dass mich an diesem Abend wieder meine oft unheimliche Fantasie besuchen würde, die zwölf Stunden früher besser am Platz gewesen wäre, weil sie möglicherweise meinen Tag völlig anders gestaltet und meinen Berufsalltag vielleicht aus jener Lethargie gelöst hätte, die Berufsalltagen nun einmal eigen ist. Abends ist die Begegnung mit meiner Fantasie  besonders lästig. Als erstens würde sie damit beginnen, mir berechtigte Vorwürfe zu machen, warum ich meinen Berufstalltag nicht besser gestaltet habe und anschließend mich zwingen, wenigstens die Nacht besser auszunützen. Sie wusste genau, dass ich in diesem Punkt stets eigene Pläne hatte, die ich nur ungern durchkreuzt sah und außerdem erwartete ich Maja, die jeden Augenblick vor der Tür stehen konnte. Richtig – und da klingelte es auch schon mit jenem sanften Klingelton, den nur Maja der ansonsten robusten Türglocke entlocken konnte. Da stand sie nun und beinahe hätte ich vergessen, sie zu bitten die Türschwelle zu überschreiten, weil ich immer noch Angst vor meiner mir oft unheimlichen Fantasie hatte. Sie schaute mich prüfend an und fragte mich, ob ich jemand anderen erwartet hätte. Nein – natürlich nicht! Ich konnte ihr ja nicht gut sagen, was ich befürchtet hatte, als Maja schon danach fragte, wie mein Tag gewesen sei. Ich antwortete zögernd: „na ja – so wie immer, Berufsalltage sind halt Berufsalltage, gegen die man nichts machen kann“. Maja schaute mich ungewohnt streng an und meinte lakonisch, dass ich selber daran schuld sei, aber jetzt sei sie ja da und ich könne wenigstens die Nacht besser ausnützen. Allmählich merkte ich, dass meine (mir unheimliche) Fantasie und Maja identisch waren und dass mir meine Fantasie durch das bessere Ausnützen der Nacht immer weniger unheimlich wurde.

 

Am nächsten Tag entfloh ich meinem lethargischen Berufsalltag, indem ich meine Kündigung einreichte. Maja und ich gingen einer ungewissen Zukunft entgegen, die ich mit meiner „Fantasie“ schon irgendwie meistern würde. 

 

(3.10.2013)

 

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s.a. Erinnerungen an Maja

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