Sonntag
Ja - und am Sonntag würden wir etwas unternehmen. Was? Das wissen wir noch nicht so genau – es könnte ja auch regnen. Dann würden wir vielleicht ins Museum gehen und uns die Abteilung für nichtexistenzielle Kunst anschauen, die haben wir noch nicht gesehen, müsste man aber – schon deswegen, weil man darüber überhaupt nichts weiß und im Internet nichts findet.
Man wird ja sehen wie das Wetter am Sonntag wird und wir können uns dann immer noch entscheiden. So wahnsinnig viele Sonntage hat das Jahr ja gar nicht, einige sind als hohe Feiertage durch vorgeschriebene Handlungen belegt: Weihnachten – Neujahr – Ostern – Pfingsten etc.,an anderen sind wir eingeladen, an einigen haben wir Gäste – die können wir nicht zwingen, etwas mit uns zu unternehmen oder die Abteilung für nichtexistenzielle Kunst zu besuchen, wir wissen ja selbst noch nicht, ob die Abteilung sehenswert ist und ob sich unsere Gäste überhaupt dafür interessieren.
Bei genauerer Betrachtung bliebe nur der nächste Sonntag um etwas zu unternehmen – aber da sind wir in Florenz.
Sonntage sind irgendwie lästig, man braucht zwar nicht zu arbeiten, aber man sollte bzw. müsste halt irgend etwas unternehmen – aber was? Man könnte ein gutes Buch lesen – auf die Gefahr hin, dass es einem nicht gefällt. Nicht alles was gut ist, gefällt einem – bei so wenigen freien Sonntagen keine gute Idee! Und sollte man das Buch dann nicht zu Ende lesen können, weil der Umfang des Buches unterschätzt wurde, müsste man auf den nächsten freien Sonntag warten. Ein Ausweg wäre „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil – zweifellos ein gutes Buch, jeder kennt es , aber niemand hat es zu Ende gelesen. Leider habe ich den „Mann ohne Eigenschaften“ früher schon zweimal nicht zu Ende gelesen, es würde sich als Sonntagslektüre eignen, weil man es nicht zu Ende lesen muss – ein drittes Mal würde ich es allerdings kaum noch einmal nicht zu Ende lesen wollen. Woher weiß man überhaupt, dass das ein gutes Buch ist, wenn es niemand zu Ende gelesen hat? Vermutlich jemand der beruflich mehr freie Sonntage zur Verfügung hat als ich.
Eine Idee habe ich aber doch für den nächsten freien Sonntag – ich schreibe ein Buch (jeder schreibt heute ein Buch). Mein vorläufiger Arbeitstitel könnte lauten: „Das große Buch, einen freien Sonntag sinnvoll zu gestalten“. Der Titel ist noch nicht richtig gut – es ist ja auch nur ein Arbeitstitel – und wahrscheinlich wird das Buch wegen der wenigen freien Sonntage eh’ nicht zu Ende geschrieben.
(2011)