Ein komplizierter Mordfall…

 
 
Fragezeichen - © Alfred Rhomberg

 

 

Josef wurde nicht als Mörder geboren – er wurde durch die Gesellschaft dazu gemacht. Dass er jedoch über eine Art „Unrechtsbewusstsein“ verfügte, lässt sich daraus ableiten, vor dem geplanten Mord seinen Psychiater in dieser Sache zu konsultieren.

 

Sein Psychiater hörte sich die Geschichte Josefs ungläubig an, tat sich mit Therapievorschlägen jedoch deswegen schwer, weil dies ein für ihn neuartiger Fall seiner Berufspraxis war. Mörder gehen vor einem geplanten Mord normalerweise nicht zum Psychiater, sondern letztere werden immer erst dann eingeschaltet, wenn ein Mord bereits begangen worden war und ein Gerichtsgutachten über die Motive der Mörderinnen oder Mörder muss. Er riet Josef daher, vor seinem geplanten Mord lieber zuständigere Stellen wie z.B. die Polizei zu kontaktieren.

 

Das wollte Josef unbedingt vermeiden, denn entweder würden sie ihn sofort einsperren, obwohl er noch gar kein Tötungsdelikt begangen hatte – oder aber zwingen, einen Psychiater aufzusuchen, der ihn dann vermutlich wiederum zur Polizei geschickt hätte.

 

Josef befand sich daher in einem nahezu unlösbaren Dilemma und beschloss, von seinem Mordvorhaben aus Bequemlichkeitsgründen vorerst Abstand zu nehmen. Es wurde ja bereits eingangs erwähnt, dass Josef nicht als Mörder geboren wurde – sondern die Gesellschaft ihn dazu gemacht habe. Ebenfalls aus Bequemlichkeitsgründen entschied sich Josef jetzt dafür, den geplanten Mord von der Gesellschaft wegen deren Mitschuld durchführen zu lassen.

 

Ein wenig Schadenfreude überkam Josef bei dem Gedanken schon, seinen Mord an die Gesellschaft zu delegieren und den Staat zu zwingen, riesige Gefängnisse zu bauen, in welche die Gesellschaft eingesperrt werden würde. Seine Schadenfreude wurde nur dadurch getrübt, als ihm gerade noch rechzeitig einfiel, dass er selbst Teil der Gesellschaft war und sich deshalb mitschuldig machte.

 

Inwieweit sich Josef im geschilderten Fall tatsächlich irgend eines Verbrechens schuldig gemacht hatte, ist auf Grund des komplizierten Tather-  oder Nichthergangs schwer zu beurteilen: im Zweifel wäre in jedem Fall zugunsten des (oder der) Angeklagten zu entscheiden gewesen.

 

(22.09.2014)

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