Postmodernes Regietheater - As You Like It !
Während im „guten alten Regietheater“ der letzten Jahrzehnte Regisseurinnen oder Regisseure sich noch hochgescheite Vorstellungen machen mussten, wie man ein Stück von Shakespeare oder Goethe auf keinen Fall heute mehr spielen darf, könnten sie sich in Zukunft diese Arbeit in unserer „interaktiven“ Zeit vermutlich ersparen. Ein Beginn wie so etwas aussehen könnte, machte die Theaterstadt Wien, als ein Stück von Elfriede Jelinek „Die Schutzbefohlenen“ unter dem abgewandelten Titel „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ im vollbesetzten Audimax Maximum der Universität Wien von 20 – 30 mit Transparenten und Theaterblut bewaffneten „Identitären“ (neues Unwort des Jahres?) gestürmt und massiv gestört wurde. So traurig dieser Vorfall an sich ist, zeigt er mit etwas Phantasie doch neue Wege auf, wie ein Theater der Zukunft aussehen könnte.
Warum eigentlich Textgrundlagen?
In unserer durch Interaktivität geprägten Zeit könnte das Publikum in die Theateraufführungen einbezogen werden – der Unterschied zwischen SchauspielerInnen auf der einen Seite (meist auf der Bühne) und den ZuschauerInnen (meist in den Sitzreihen und Theaterlogen) sollte durch Einbeziehung der Zuschauer – und sei es durch Mitgestaltung durch „Identitäre“ und „Gegenidentitäre“, sowie Polizeieinsätze, Feuerwehrleute und Sanitäter zu einer gleichberechtigten, demokratischen Theatergemeinschaft interaktiv eingeebnet werden.
Schon William Shakespeare hatte bekanntlich in seinem Stück „As You Like It“ (Wie es Euch gefällt), den damals sehr beliebten Schäferroman „Rosalinde oder Euphues’ goldenes Erbe“ seines Zeitgenossen Thomas Lodge durch Neueinbringung von Personen und Veränderungen des ursprünglichen Sinnes deutlich umgestaltet, sodass es kein ungetrübtes Bild mehr des pastoralen Lebens oder Liebesglückes war, sondern dem Publikum nur versprach, was dem Zeitgeschmack entsprach (u.a. die Umgestaltung von Frauenrollen durch männliche Besetzungen). Was hätte Shakespeare heute nach ca. 400 Jahren nicht noch alles verbessert? Sicherlich hätte er es zunächst mit einer Quotenregelung (gleich viele männliche Schauspieler und weibliche Schauspielerinnen) versucht. Das war allerdings noch vor der Hochblüte der „Interaktivität“ – diese Quotenregelung wäre sicherlich bald wieder fallen gelassen worden, weil statistisch gesehen mehr Frauen als Männer kulturell interessiert sind (es gibt ja auch deutlich mehr Leserinnen von Lyrik-Büchern als männliche Leser).
Ganz besonders würde sich aber die Besucherzahl an Jugendlichen steigern lassen, wenn als Eintrittsticket lediglich ein funktionsfähiges und eingeschaltetes Smartphone vorgezeigt werden müsste. Auch die Schauspieler müssten selbstverständlich mit eingeschalteten Handies ausgestattet werden – dadurch wäre gesichert, dass sich sehr schnell ein interaktiver Multilog (anstatt der langweiligen Dialogszenen auf der Bühne) entwickeln würde. Die Regie könnte sich dann darauf beschränken, lenkend auf das Theatergeschehen einzuwirken und mittels Smartphones ausgelöste Flashmobs, spontane Reaktionsabläufe zu bewirken.
Die Finanzierung postmoderner Theatervorstellungen
Obwohl keine Eintrittsgelder anfallen, könnte die staatliche Subventionierung des Theaters privatwirtschaftlich durch Verträge mit Mobilfunkanbietern völlig wegfallen. Schauspielerinnen und Schauspieler würden prozentuell durch die gezählten Mobilfunkanrufe bezahlt, wobei die Aufgabe der Regisseurinnen und Regisseure lediglich darin bestünde, mittels Smartphone dafür zu sorgen, dass eine rege interaktive Telefon- und SMS-Tätigkeit (einschließlich Flashmobs) gewährleistet ist.
In einer weiteren – vorläufig nur angedachten Form eines Post-postmodernen-Regietheaters könnte man sich die Kombination des Livestreamtheaters mit den Möglichkeiten moderner internationaler Kommunikationsmöglichkeiten vorstellen. Zuschauer weltweit könnten auf die Regie und den Ablauf eines Theaterstückes durch Social Networks Einfluss nehmen und so ein Maximum an multikulturellem Crossover bewirken. Das sollten wir jedoch der Zukunft überlassen – man darf auch ein noch so modernes aufgeschlossenes Publikum nicht zu sehr überfordern, sondern sollte stets nach dem Motto handeln:
As You Like It !
(19.4.2016)