Über die Schwierigkeit, Optimismus zu verbreiten

 

Optimismus - © Alfred Rhomberg, grafisch stark verändertes Bild eines smiley

 

Der Mensch wird nicht als Optimist geboren - um zur Optimistin/zum Optimisten zu werden bedarf es entweder einer optimistischen Umgebung und sei es im kleinsten Kreis, wie z.B. der Familie, oder aber durch ein Land, das von PolitikerInnen geprägt ist, deren Optimismus Menschen begeistern und dadurch „anstecken kann“. Da die Politik bis auf ganz wenige Ausnahmen in dieser Hinsicht versagt (es wird an späterer Stelle ausführlicher darauf eingegangen) und unsere Umgebung sowohl im „Großen“ (Weltpolitik), als auch im „Kleinen“ (zerstörte Familien, Arbeitslosigkeit etc.) unerfreulich ist, gilt ein anderes Grundprinzip, dessen sich insbesondere die Medien gerne bedienen: des Voyeurismus im weitesten Sinn, d.h. nicht in der heute üblichen Bedeutung der sexuellen Schaulust. Voyeurismus, im Sinne von „sehen“ (französ. voir) oder besser einfach nur „Schaulust“ ist dem Menschen angeboren und kann weitgehend positiv (selten) geformt, meist jedoch negativ missbraucht werden. Das Kind sieht seine Umwelt, wie sie ihm dargestellt wird, es sieht die bunten Farben seiner Spielzeuge, später die Märchenfiguren seiner Bilderbücher und leider zunehmend schlechte Fernsehfilme oder unrealistische Computerspiele mit Inhalten, die Aggression bzw. Aggressionsbereitschaft vermitteln. Dass die Welt nicht nur „positiv“ ist (ein Wissen, das für das spätere Leben wichtig ist!), lernt das Kind allerdings besser nicht durch Computerspiele, sondern durch klassische Spiele wie z.B. „Mensch ärgere dich nicht“ und durch althergebrachte Kinderbücher, in denen das Böse (Hexen oder Drachen) zwar angedeutet sind, "das Gute" aber letztlich doch siegt.

 

Die spätere Entwicklung zur „Schaulust“ verläuft eher kläglich. Brutale Computerspiele, die makabre Schaulust Unbeteiligter anlässlich schwerer Unfälle, das Fußballfieber mit allen Begleiterscheinungen wie gewalttätigen Auseinandersetzungen von Fanclubs, immer unsinnigere neue Sportevents, Fernseh-Schlagerparaden verpackt in „Volkstümlichkeit“ und auf jeden beliebigen Anlass zugeschnitten à la „Die große Advent-Parade“ etc, Krimiserien (ohne anspruchsvolle Drehbücher), sogenannte Reality-Formate wie „Bauer sucht Frau“, „Dschungelcamp“ – die Liste ließe sich beliebig erweitern.

 

Wer den Aufwand zur Vorstellung der 7. Star-Wars Serie in Los Angeles noch bevor der Film ins Kino gelangt ist, beobachtet hat, weiß selbstverständlich, dass sich dieser Aufwand wegen der erwarteten Milliardeneinnahmen lohnt - in früheren Zeiten sah man solche Großveranstaltungen allenfalls bei Oscarverleihungen, bei denen die PreisträgerInnen oder ausgezeichneten Filme ihre Preisverleihungen tatsächlich verdienten, selbst wenn die Filme gelegentlich keine Kassenschlager waren.

 

Kann Kunst Optimismus verbreiten?

 

Im Prinzip ja, allerdings mit zwei Einschränkungen: 1) Man muss dafür empfänglich sein, was nur wenigen gegönnt ist und: 2). Die zeitgenössische Kunst ist selbst bei hoher Qualität nicht besonders „optimistisch“. Die Literatur wird überwiegend von Vergangenheitsbewältigung bestimmt, einer Vergangenheit die offenbar nur dann in Form von Büchern verlegt wird, wenn eher düstere Kapitel unserer Vergangenheit thematisiert werden. Aufbauendes – es wird bewusst den Ausdruck „Erbauliches“ vermieden – finden wir in den Bücherlisten selten. Moderne Sachbücher sind oft nur Mahnungen, wie man mit der "bösen Welt" besser umgehen kann, sie weisen jedoch auf die Unzulänglichkeiten unserer Welt geradezu hin, ohne Optimismus auszustrahlen. 

 

Anm.: Das „Erbauliche“ war ein oft spießbürgerliches Literaturgenre des 19. Jahrhunderts und der Romantik für ein gesättigtes Mittelbürgertum bestimmt, das keine Form des heute abhanden gekommenen Optimismus benötigte.

 

Anspruchsvolle Musik ist nur einem bestimmten Gesellschaftsteil vermittelbar – wirklich optimistisch wirkt zeitgenössische Musik auch bei hoher Qualität zumindest auf den Autor dieses Beitrags nicht. Rock- und Popmusik sind zwar weit verbreitet, dienen jedoch mehr als Ventil zur Bewältigung bzw. Verdrängung der Orientierungslosigkeit unserer Zeit und was das Theater betrifft, so liegt modernen Theaterstücken und RegisseurInnen eher das „Hinterfragen“ von düsteren Zeitgeistproblemen am Herzen, als Optimismus zu verbreiten - im Gegensatz zu Nestroy, der durchaus Zeitgeistprobleme ansprach, diese jedoch nicht so pessimistisch verpackte.

 

Die seltene Kunst der Politik, Optimismus zu verbreiten

 

Dass wir in einer - auch politisch - immer komplizierteren Zeit leben, wird uns durch die Medien tagtäglich bis zum Überdruss vermittelt – gibt es Politikerinnen oder Politiker, die wenigstens einen Hauch von Optimismus vermitteln können?

 

Dem Autor fallen im Augenblick nur zwei Persönlichkeiten ein:  Barack Obama und Angela Merkel. Obama konnte wenigsten zu Beginn seiner Präsidentschaft durch sein „Yes we can“ Optimismus vermitteln, davon ist nicht viel übrig geblieben, außer, dass Obama es immer noch fertig bringt, ein positives Bild der Stärken seines Landes zu verdeutlichen. Obama ist in dieser Hinsicht mehr gelungen, als ihm heute oft von der Weltöffentlichkeit zugebilligt wird. Auch die deutsch Bundeskanzlerin Angela Merkel schafft es in der äußerst schwierigen Flüchtlingssituation, zumindest die Grundeigenschaften der Deutschen eines gewissen Optimismus anzusprechen, den man so notwendig brauchte: „Wir haben in der Vergangenheit so vieles geschafft, wir werden auch das schaffen“ – und viele glauben ihr auch zu Recht, dass sie bezüglich der Flüchtlingsfrage mehr umsetzen kann, als andere Parteien. Als (politisch neutraler) Österreicher möchte der Autor sogar dem sozialistischen Bundeskanzler Werner Faymann nicht absprechen, dass er in letzter Zeit immer wieder menschliche Worte zur Flüchtlingssituation findet, die glaubhaft klingen – allerdings glauben nur wenige, dass er in dem derzeit politisch komplizierten Staat Österreich tatsächlich etwas bewirken kann. Seine Worte werden also bald abgenutzt wirken, auch wenn es in Österreich derzeit kaum jemanden gibt, der in dieser Frage Probeme besser lösen könnte.

 

In der Politik ist es stets leichter, wirksamen Optimismus auszustrahlen, wenn die äußeren Umstände günstig sind. So konnte konnte Bruno Kreisky als sozialdemokratischer Delegierter seine Parteikollegen schließlich davon überzeugen, dass ihre antisowjetische Haltung die Verhandlungen behinderte, sodass dadurch die Basis für den österreichischen Staatsvertrag schließlich nach langen Verhandlungen gegeben war. Konrad Adenauer, der besonders die Gunst der Franzosen und US-Amerikaner auf seiner Seite hatte, konnte durch den deutschen Wiederaufbau über lange Zeit jenen Optimismus verbreiten, der in schwierigen Zeiten erforderlich ist und anspornend wirkt.

 

Resumée dieses Beitrags ist die für den Autor schmerzhafte Feststellung, dass es heute unendlich schwer ist, Optimismus zu verbreiten und nur an alle appelliert werden kann, dies wenigsten in jeweiligen persönlichen Umfeld verstärkt zu versuchen, wobei angefangen vom Elternhaus, dem Kindergarten, den Bildungseinrichtungen und den Arbeitgebern eine ganz besondere Aufgabe zukommt, die durchaus mit etwas Idealismus bewältigbar ist. 

 

Der Autor kann diesen Beitrag nur mit den Worten seines ehemaligen Doktorvaters für Organische Chemie in Innsbruck zu einer Zeit schließen, als die Chemie als ein eher hoffnungsloses Studium galt (es gab damals noch keinn deutsches oder österreichisches Wirtschaftswunder):

 

„Meine Doktoranden sind so gut ausgebildet, dass sie zu jeder Zeit eine gute Stellung im Berufsleben finden werden!“ (1)

 

(15./16.12.2015)

 

(1) Prof. Dr. Hermann Bretschneider, Ordinarius für Organische Chemie in Innsbruck und Erfinder des ersten hochwirksamen Breitbandsulfonamids, hatte sowohl rechtzeitig die ungarische chemische Industrie verlassen, als auch anschließend den Zusammenbruch eines großen deutschen Pharmakonzerns persönlich miterlebt, bevor er nach Beendigung des Krieges in Innsbruck habilitierte und als Ordinarius in täglichen Gesprächen seine Doktoranden zu solidem analytischen Denken erzog.

 

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