Denktage

Alpbach in Tirol - © Wikipedia. Public Domain

 

 

Es ist ziemlich gleichgültig, ob man von X nach Y oder von Y nach X fährt – man kommt entweder nach X oder Y. Zum Glück wollen nicht alle von X nach Y, sonst wäre Y überfüllt, obwohl nicht feststeht, dass Y wirklich besser ist als X. Um dieses festzustellen, müsste man wohl nach Y fahren und würde sich weiter an dessen Überfüllung schuldig machen. Dies gilt ebenso in umgekehrter Richtung - deshalb ist X gleich gut besucht wie Y und es ist, wie anfangs gesagt, ziemlich gleichgültig ob man von X nach Y oder von Y nach X fährt. Bis hierhin ist alles noch relativ leicht nachvollziehbar.

 

Das Problem beginnt in dem Augenblick, wenn eine neue Destination Z zum Modeort wird und alle – gleichgültig ob von X oder Y - in diese neue Destination Z wollen. Das hätte schwerwiegende Folgen:

 

X und Y leerten sich, die Hotels und Restaurants stünden vor dem Ruin, zuvor fielen die Übernachtungspreise ins Uferlose und die Geschäftsstraßen leerten sich zunehmend. Daher wurden die Bürgermeister von X und B von ihrer jeweiligen Bevölkerung bedrängt, etwas gegen diesen Missstand zu unternehmen – aber was kann ein Bürgermeister in einem solchen Fall schon tun? Soll er seinen Kollegen in Z bitten, die Destination Z für Fremde zu sperren? Das wäre allzu peinlich! In solchen Situationen halten auch die ehedem verfeindeten Bürgermeister von X und Y zusammen und beriefen einen runden Tisch – heute Gipfeltreffen, oder „summit“ genannt ein, an dem wegen der geschilderten Umstände außer den beiden Bürgermeistern niemand anderes als sie selbst saßen – ein groteskes Bild für ein Gipfeltreffen! Sie beschlossen gemeinsam nach Z zu fahren, um eine Ursachenanalyse zu betreiben. Leider ergab sich, dass die Formulierung solcher Analysen zunächst einer Sekretärin diktiert werden muss, um dann in gebührender Form dem Gemeinderat vorgelegt werden zu können – die Sekretärinnen und alle Mitglieder der jeweiligen Gemeinderäte waren jedoch alle auf Urlaub in Z und daher konnten entsprechende Gemeinderatsbeschlüsse nicht durch ihr demokratisch abgestimmtes Einverständnis rechtskräftig gemacht werden. Vorläufig musste daher sowohl in X, als auch in Y alles so bleiben, man konnte nur hoffen, dass  bald möglichst viele neue Destinationen (B, C, D, E, F, G, etc.) entstünden, damit sich der Tourismus etwas verteilen würde. Dann könnte jede einzelne Gemeinde über für ihre Gemeinden typische Events nachdenken. So entstand u.a. das weltbekannte Skygebiet „Ischgl“ in Tirol, mit seinem ortstypischen kulinarischen Jacobsweg Paznaun – Ischgl, das „Ischgl Mountain Roadeo“ oder die Internationale Almkäseolympiade(1).

 

Irgendwann kamen auch die Sekretärinnen und Gemeinderäte aus ihrem Urlaub in Z zurück und der Gemeindearbeit stand nichts mehr im Wege. Seither gibt es die berühmten internationalen, dem nachhaltigen Denken gewidmeten Denktage in X und die nicht minder berühmten internationalen Denktage in Y, die allerdings dem Denken in homöopathischer Dosis gewidmet sind (immer hat Y dem Dorf X etwas voraus).

 

B, C, D, E, F, G, etc. müssen sich anstrengen - I wie Ischgl, siehe oben und A wie Alpbach mit seinem "Europäischen Forum Alpbach" haben sich schon angestrengt!

 

(7.7.2013)

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(1) http://www.bergfex.at/ischgl/

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