Das wichtigste ist immer die Rückkehr und nicht der Gipfel - Bergsteigen

 

In memoriam Bruno - eine Erzählung¹
 
Trauriger Bär - © Alfred Rhomberg

Immer wenn sich ein paar Bären treffen und gemütlich bei einem Gläschen Wein die Zeit verplaudern, fällt einem aus der Bärenrunde die traurige Geschichte des Bären Bruno ein, der aus Italien kommend, in Österreich nicht integrationsfähig war und aus diesem Grund im benachbarten Bayern erschossen wurde. Da erinnern sich die Bären dann an allerlei Anekdoten, die sie von Bruno kannten und je mehr Wein sie trinken, desto lebendiger wird die Erinnerung an Bruno, wobei sich Dichtung und Wahrheit mit jedem Glas Wein immer mehr vermischen. Einer fragte letzthin: kennt ihr die Geschichte über die „Bergrettung“? Alle lachten, aber wie das bei Anekdoten so ist, besonders bei Bärenanekdoten: nicht alle betreffen Bruno selbst, manches entspringt des Fantasie des Weines – das nennt man dann eben „jemandem einen Bären aufbinden“.

 

 

Im Radio hört man zwar häufig über verunglückte Bergsteiger und die „Bergrettung“ - wie schwierig und anstrengend die Rettung von verunglückten Bergsteigern wirklich ist, können sich die wenigsten vorstellen.

 

Seitdem der Bär Bruno einen Bergsteigerkurs gemacht und die Gefahren am eigenen Leib erlebt hatte, dachte er, dass man vielleicht auch den nächsten humanitären (eigentlich ursitären) Schritt machen sollte: sich an der Rettung Verunglückter zu beteiligen.

 

Wer sich als Mitglied bei der Bergrettung anmeldet, darf seine eigenen Kräfte nicht überschätzen und deshalb wollte er nicht sofort als vollwertiges Mitglied in einer Bergrettungsmannschaft anfangen. Er dachte eher an eine Hilfeleistung nach Art der Bernhardiner Hunde, jener großen Hunde, die mit einem Rum-Fässchen um den Hals gebunden, den Verunglückten, aber auch den Bergrettern durch eine Stärkung mit einem kräftigen Schluck aus dem Rumfass helfen konnten. Was Bernhardiner können, muss ein Bär erst recht beherrschen, schließlich können sich Bären von Natur aus in den Bergen besser bewegen als Bernhardinerhunde, die das Klettern in den Bergen erst erlernen müssen.

 

Der Bär freute sich schon auf seinen ersten Einsatz in der Bergrettungsmannschaft und als es soweit war, band er sich ein kleines Fässchen voller Rum um den Hals und war stolz auf seine bevorstehende Arbeit, sich nützlich zu machen. Bergsteiger verunglücken meist nicht in den unteren, weniger gefährlichen Bergregionen und schon gar nicht im Flachland, daher müssen Bergretter meist sehr hoch steigen, wenn sie einen Verunglückten retten müssen. Die ersten drei Stunden machten dem Bären nichts aus, dann fühlte er erste Zeichen von Erschöpfung. Die Bergretter (und auch die Bernhardinerhunde) waren eben durch langes Training besser für solche Anstrengungen vorbereitet als der Bär. Der Bär wollte sich seine Erschöpfung nicht anmerken lassen und dachte sich, ein Gläschen Rum, welches einen Verunglückten stärken kann, könnte auch ihm selbst nützlich sein und so nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Rumfass. Die Wirkung blieb nicht aus und der Bär schaffte die nächste Stunde des Aufstieges mühelos, dann fühlte er wieder diese lästigen Schwächezeichen der Erschöpfung. Was einmal gewirkt hat, muss auch ein zweites Mal wirken und so nahm er wieder einen kräftigen Schluck aus seinem Rumfass. Mit der Zeit wurde der Abstand zwischen seinen Erschöpfungszuständen immer kleiner und die Zahl der Stärkungen aus dem Rumfass immer größer. Die Bergretter waren nun schon fast bei dem verunglückten Bergsteiger angelangt und stellten fest, dass dieser nicht so schwer verletzt war, dass jede Hoffnung vergeblich war. Man stärkte ihn mit etwas Rum, da dies aber sein erstes Glas war hatte er damit weniger Probleme als der Bär, der schon recht viele Gläschen Rum getrunken hatte und jetzt die ersten Zeichen einer vollkommenen Erschöpfung infolge des vielen Alkohols spürte. An einen Abstieg war in diesem Zustand nicht zu denken. Gut, dass er nicht allein war. Die Bergretter und Bernhardinerhunde kümmerten sich um den Bären und selbst der verunglückte Bergsteiger war schon wieder so bei Kräften und half der gesamten Mannschaft, den Bären auf einer Tragbahre wieder ins Tal zurückzubringen.

 

Für den Bären war die erste Bergrettung eine ziemlich peinliche Situation, an die er sich später nur ungern erinnerte, aber er wusste nun, dass Alkohol ein gefährliches Mittel sein kann und warum Bernhardiner den Rum nicht selbst trinken.

 

Auch Ärzte nehmen nicht alle Arzneimittel selbst ein, die sie ihren Patienten verordnen.

 

(19.7.2015)

 

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¹ Die obenstehende noch nicht publizierte Erzählung stammt aus einer Reihe von „Bärengeschichten“, die zum Teil bereits in einem anderen Magazin veröffentlicht wurden – der Protagonist „Bruno“ ist von einer wahren Begebenheit abgeleitet.

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