Belanglosigkeiten - passt eh'
Wie ist das werte Empfinden ? "Schlecht" – so sagt man das aber nicht, sondern eher: „na ja – wie es halt so geht“ – oder „alles bestens!“. Und der werten Familie? Welcher Familie? Ach so – der geht es auch gut! Und Ihnen? Danke, alles im grünen Bereich!
Wir leben in einer Welt von Gemeinplätzen, in welcher Ehrlichkeit keinen Platz hat. Harald Serafin, Kammersänger, Professor ehrenhalber und pensionierter Intendant der Operetten-Seefestspiele Mörbisch hat das Wort „wunderbar“ zwar nicht erfunden – aber er benützt es spätestens seit den „Dancing Stars“ des ORF als Markenzeichen. Das Wort aus seinem Munde ist so (un)ehrlich, wie letztlich das ganze Genre der Operette – nur sollten wir nicht vergessen, dass die Operette eine Zeit widerspiegelt, in der auch das satte Bürgertum nicht „ehrlich“ war. Bürgertum ist selten ehrlich, allenfalls belanglos - immerhin schmückte sich das frühere Bürgertum in „Salons“ mit KünstlerInnen, LiteratInnen und WissenschaftlerInnen und verhalf diesen indirekt, nicht “belanglos” zu bleiben, während das heutige satte Bürgertum fast ausschließlich sich selbst schmückt (z.B. in den Seitenblicken des ORF oder bei Charity Veranstaltungen). Andererseits lässt sich nicht nachweisen, wie ehrlich die Zeit Claudio Monteverdis war, dessen Oper “Orfeo” eben doch deutlich mehr Qualität wie z.B. die Operette „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ (Ralph Benatzky) aufweist. Offenbar haben „Ehrlichkeit“ (oder Unehrlichkeit) einer Zeit nichts mit Qualität zu tun.
Wer die auf allen Fernsehsendern Deutschlands und Österreichs ausgestrahlten großen „Unterhaltungssendungen“ (Namen zu nennen ist überflüssig) oder Castings-Shows einmal gesehen hat, dem verschlägt es entweder die Sprache, oder er hat für sich einen neuen, unserer Zeit entsprechenden Ehrlichkeitsbegriff entdeckt - mehr Banalität ist textlich oder kompositorisch oft fast nicht möglich. Warum fallen mir dann stets französische Chansons ein, u.a. von Juliette Greco gesungen (Douce France/Charles Trenet), Georges Brassens, Ives Montand "Les feuillet mortes" (Jaques Prévert) und amerikanische Evergreens wie „Over the Rainbow“ (Arken/Harburg), „I’ve got You under my skin“ (Cole Porter/ Sinatra) oder „Stormy Weather“ - Ella Fitzgerald ist stimmlich auch heute noch unübertroffen. Im deutschen Sprachraum fallen einem fast nur die Vertonungen von Brechttexten durch Kurt Weil ein und später die Chansons von Hildegard Knef, die Format hatten, auch wenn, oder – gerade weil – Ella Fitzgerals von ihr sagte: „Sie ist die beste Sängerin ohne Stimme“. Die vielen Interpreten, die seit Jahren deutsche und österreichische Hit-Paraden anführen, sind vielleicht „liebe Menschen“ aber „Format“ haben ihre Songs nicht. Selbst die vermutlich ehrlich gemeinten Texte und Songs des DDR-Flüchtlings Wolf Biermann sind „Kitsch“ (Geschmackssache), während Udo Lindenberg zumindest eine akzeptable Nische im Rock auf „deutsch“ fand. Den „Austro-Rock“ möchte ich nicht kommentieren – er klingt manchmal ganz gut, ist aber wohl kaum mehr als eine „Masche“.
Es ist erfreulich, dass Österreich in puncto Kultur (Musik, Literatur, bildende Künste, siehe Anm.) nicht ganz so belanglos zu sein scheint – 19,6 Mio Burgtheater- Schulden zählen in Österreich offenbar noch zu den Belanglosigkeiten. Ansonsten ist unser Leben alles in allem - und nicht nur in Österreich, absolut:
belaaaaaaanglos! - passt eh'
P.S. Im Fernsehen verabschieden sich die Nachrichtensprecher und Metereologen meist mit den Worten “Machen Sie es gut” – das ist fast so belanglos wie der stereotype Satz bei Telefonanfragen “Guten Tag, meine Name ist xy – was kann ich für Sie tun?”.
(Version 27.4.2014)
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*Anm.: Unter "Kultur" sollten wir in Österreich halt nicht nur den Opernball, das Neujahrskonzert der Wiener Philhamoniker oder die Wiener Hofreitschule verstehen - diese Institutionen werden zwar weltweit gut vermarktet, doch auch hierfür gilt m.E allenfalls der Ausdruck "passt eh' ".