verloren gegangen – nicht wiedergefunden
Ich bin mir abhanden gekommen,
ich weiß nicht wann und wo.
Jetzt suche ich in meinen Erinnerungen,
in Fotos und Dokumenten -
also im gesamten Archiv meines Lebens.
Ob ich mich jemals wiederfinden werde?
Sicher ist das nicht!
Und wenn – woran werde ich mich dann erkennen?
Die mich gekannt haben verlassen langsam
das Feld gemeinsamer Erinnerung,
sie waren Teil meiner verschiedenen ichs
und doch nicht ‚ich‘ –
glichen eher den Bildern eines Kaleidoskops,
bei denen kein Bild dem anderen gleicht,
wenn man es leicht bewegt.
Ja – mein ‚ich‘ hat sich gewandelt in den Jahren
es wandelt sich auch jetzt von Tag zu Tag,
solange bis...
die Wahrnehmung versagt und meinem ‚ich“ gebietet,
nicht mehr ich selbst zu sein –
und wenn ich vorher mir begegnen sollte,
dann werde ich freundlich zu mir sein –
so wie zu einem fremden Gast!
Nachsatz 1: Ich könnte nach Frankfurt fahren und mich auf das im Bild gezeigte „Ich-Denkmal“ von Hans Traxler stellen, es wurde für jeden dazu geschaffen, sein ‚ich“ zu präsentieren. Die anderen würde dann mein augenblickliches ‚ich“ sehen, das mit ihren eigenen Wahrnehmungen vermischt wäre – sicher keine Lösung, die Gesamtheit meines „ich’s“ wiederzufinden.
Nachsatz 2: Ich hätte ein Tagebuch schreiben können – das hätte mein heutiges Problem jedoch nicht gelöst, denn meine damals niedergeschriebenen Ich-Zustände würde ich heute aus dem Blickwinkel meines heutigen ‚ichs‘ lesen. Dazu ein hübscher Gedanke aus dem „Kaleidoskop des Alltags“ (Charles Tschopp):
„Wer seine Gedanken aufzuschreiben versucht, dem ergeht es oft wie dem erwachenden Träumer: Eben noch wühlten seine Hände in Gold; jetzt findet er sie leer.‘ So hatte ich eine jener vielen Lektionen der Bescheidenheit erfahren, wie sie uns das Leben immer wieder beschert...“
(31.1.2017)