Regietheater - oder die Gefahr, Goethe als Autor abzuschaffen

 

Portrait Goethes in der Campagna - gemalt von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 1787 in Rom, Quelle: Wikipedia-Enzyklopädie, Public Domain

 

 

 

Regietheater

 

Auf der Bühne wird Nachhilfeunterricht erteilt, 
über geistige Zusammenhänge, die der Besucher längst kennt.
über Pointen, die dem Witz zuvorlaufen,
über Sexualität (die viele Besucher bereits kennen),
über Historik der Gegenwart und der Zukunft,
über Fantasie – die nur der Regisseur hat,
weder der Autor noch das Publikum – (meint der Regisseur)

Mit der Eintrittskarte wird das Recht auf Nachhilfeunterricht erteilt.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen!

 

 

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Der Begriff des Regietheaters ist mit dem Vorwurf verknüpft, dass Regietheater-Inszenierungen zu einer Verschlechterung der Qualität in der deutschsprachigen Theaterlandschaft führe. So hatte u.a. Peter Stein in einem Interview vom 11. September 2007 gemeint: „Inzwischen kann ja am Theater jeder machen, was er will.

 

Nun – die Meinungen sind geteilt, zweifellos gibt es auch gutes Regietheater, nur wer weiß schon, was einem bevorsteht, wenn frau/man heute ins Theater geht – vor allem was ist Regietheater? Nachdem der Begriff fließend ist, kann auch eine Kritik dieses Genres nur fließend sein. Viele Zuschauer stört es, wenn klassisches Theater durch den Regisseur bis zur Unkenntlichkeit umgedeutet wird (ich selbst möchte zumindest ab dem 2. Akt wissen, ob ich mich in „Torquato Tasso“ von Goethe befinde oder mich in der Adresse des Theaters geirrt habe). Unter Verunstaltung verstehe ich: Streichungen von Textstellen, starke textliche und sprachliche Veränderungen, schlampiger Sprechstil (was nicht heißt, dass der Sprechstil um etwa 1930 heilig wäre – er ist für unsere Ohren heute oft unaushaltbar, aber die Liebe zur Sprache sollte erkennbar sein), veränderte Schlussaussagen und natürlich die oft an den Haaren herbeigezogenen Bühnenbilder und Kostüme. Ein Regisseur, der ein neues Stück „schaffen“ will, sollte es selbst schreiben und unter seinem Namen aufführen. Die Theatergeschichte lebt von solchen Beispielen, so gibt es bekanntlich nach dem von Platon überlieferten Text der Antigone unzählige Bearbeitungen (Friedrich Hebbel, Hans Sachs, Pierre Gautier, André Gide und zahlreiche andere).

 

Wenn man die Mühe betrachtet, die sich viele moderne Regisseurinnen und Regisseure mit der Neuschaffung klassischer Theaterstücke machen, erscheint  die Mühe, ein neues Stück zu schreiben oft geringer – die Kosten von Bühnenbild und Kostümen sind auch nicht höher als bei der „Neuaufführung“ klassischer Werke.

 

 

(12.9.2014, 2017 überarbeitete Fassungen aus "Kulturforum Kontrapunkt" v. 3.7.2012)

 

 

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