Demokratie - der Wortbruch in Raten

 

 

Bruch II - Alfred Rhomberg

 

 

Das Wesen von Demokratien besteht darin, das Geschick eines Landes besser zu lenken, als das durch Monarchien oder Diktaturen der Fall war und wie dies in großen Teilen der Welt leider noch immer geschieht. In Demokratien kann gewählt und abgewählt werden und das ist gut so – allerdings ist das Thema dieses Beitrags nicht der „Abwahl“ der Demokratieform, sondern deren Kritik gewidmet.

 

Die Kritik richtet sich in erster Linie an die WählerInnen selbst - wenn diese etwas sorgfältiger mit den ihnen eingeräumten Rechten (und Pflichten!) umgingen, würden Demokratien besser funktionieren. Da viele WählerInnen ihre - wenn auch nur verfassungsmäßig vorgesehen Möglichkeiten der Einflussnahme immer weniger ernst nehmen, machen sie es den gewählten PolitikerInnen anschließend oft extrem leicht:

 

1. Immer häufiger kommt es zu unklaren Wahlentscheidungen. Die Folge davon sind Koalitionen, auf welche die WählerInnen keinerlei Einfluss mehr haben. Eine dann resultierende Regierungskoalition kommt oft durch unbefriedigende Kompromisse zustande.

 

„Ein Kompromiss ist die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, meist unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der gestellten Forderungen“ (so wird die Eigenschaft des „Kompromisses“ lexikalisch definiert).

 

Das Leben funktioniert zwar nicht ohne Kompromisse – es sei jedoch dazu angemerkt, dass diese Feststellung auch schlechte Kompromisse beinhaltet – denn fast alle Kompromisse kommen nach dem Prinzip des „kleinsten gemeinsamen Nenners“ zustande.

 

2. PolitikerInnen können somit – quasi mit Billigung der WählerInnen – viele Versprechungen ihres ursprünglichen Wahlprogramms brechen – es kommt daher nach jeder Wahl meist zu einem „Wortbruch in Raten“ .

 

3. Die Schuld kann dabei von den PolikerInnen stets auf die Wähler geschoben werden: die Realität des Wahlausgangs ließ ja keine anderen Möglichkeiten zu… (der Wortbruch ist sozusagen vom Wähler verschuldet!).

 

Warum wählen wir eigentlich?

 

Weil uns eine Partei so sympathisch ist oder weil sie vernünftige Standpunkte hat und vor der Wahl verspricht, diese auf jeden Fall durchzusetzen?

 

Die Sympathie für eine bestimmte Partei kann wohl nur für einzelne Persönlichkeiten einer Partei gelten – die Parteien selbst wechseln ihre politischen Zielsetzungen bekanntlich in dem Maße, wie sie glauben, dadurch Wählergruppen zu gewinnen. Ursprünglich vorhandenen Ideologien (oder Werte ?), haben sich im Laufe der kurzen Demokratiegeschichte Europas bereits stark abgenützt. Was bedeuten Begriffe wie „rot“ oder „schwarz“, links oder rechts, konservativ, sozial, oder liberal heute noch – wenn ehemalige „Positionen“ (von lat. positio = Lage, Stellung) immer häufiger gewechselt und innerhalb großer Volksparteien fast austauschbar werden. Selbstverständlich darf eine Partei ihre früheren Positionen ändern, wenn dies durch gesellschaftliche Veränderungen notwendig wird – aber nicht mit der in Parteien nicht so deutlich ausgesprochenen, aber aus Opportunität gedachten, Überheblichkeit mancher ParteifunktionärInnen:

 

Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern?“

 

Die Demokratie der USA mag aufgrund der latenten (nicht wirklich begründbaren) Abneigung vieler Europäer gegen alles was aus den USA kommt, kompliziert erscheinen, letztlich hat sich die Demokratie Amerikas seit ihrer Entstehung (etwa seit 1792 unter Thomas Jefferson und endgültig nach dem Sezessionskrieg 1861-1865) bewährt.

 

Es ist hier nicht der Raum, auf einzelne Demokratieformen näher einzugehen, daher sollen nur die wesentlichen Vorteile der amerikanischen bzw. die Nachteile der meisten europäischen Demokratien kurz angesprochen werden.

 

Vorteile der amerikanischen Demokratie

 

Der Wahlkampf kostet die Steuerzahler keinen Cent, alle Mittel werden durch Spendengelder aufgebracht. Weder im Kongress, noch im Repräsentantenhaus gibt es Fraktionszwänge. Egal, wie die beiden Kammern zusammengesetzt sind – der Präsident kann zu einer bestimmten Frage am gleichen Tage von beiden Parteien 90-prozentige Zustimmung und zu einer anderen Frage 90-prozentige Ablehnung erhalten. Mit anderen Worten: Demokraten und Republikaner handeln eher als Individuen und nicht so sehr als Parteisoldaten, wie dies bei unseren Parteien der Fall ist. Natürlich kann ein amerikanischer Präsident die Abstimmungsergebnisse der Kammern durch ein Veto blockieren – allzu oft kann er sich das nicht leisten, weil sonst nicht nur seine Person, sondern auch seine Partei für den nächsten Wahlkampf unglaubwürdig würde. Hat ein Präsident zwei Wahlperioden von vier Jahren absolviert, muss er abtreten. Das muss zwar auch der russische Präsident Putin, er „kann’s sich aber so einrichten“, dass letztlich auch sein Nachfolger das macht, was Putin will - um dann selbst wieder als Präsident gewählt zu werden.

 

Nachteile europäischer Demokratien

 

In Europa gibt es entweder Demokratien mit vielen kleinen Splitterparteien (z.B. Italien – wenn es zu dadurch vorprogrammierten Zwistigkeiten kommt, könnten Neuwahlen fast immer auch einen Berlusconi wieder an die Macht bringen – oder es gibt, wie in Österreich und Deutschland, nur wenige Parteien, weil durch das Scheitern der Weimarer Republik nach dem zweiten Weltkrieg Vier- bzw. Fünf Prozentklauseln eingebaut wurden, die den Einzug von Splitterparteien ins Parlament verhindern. Üblicherweise gibt es also zwei große Volksparteien, die meist nicht allein, sondern nur zusammen oder wahlweise mit 2 bis 3 kleineren Parteien regieren können oder eben eine „vom Volk gewollte(!)“ große Koalition bilden müssen. In jedem Falle wird der Wahlkampf aus Steuergeldern bezahlt – das muss uns leider die Tatsache wert sein, dass in Ländern wie Deutschland oder Österreich auch während der Regierungsperiode mehr Wahlkampf gemacht als regiert wird! Ärgerlich sind die in den genannten Demokratien nicht verfassungsrechtlich vorgesehenen aber üblichen „Fraktionszwänge“, die es ParlamentarierInnen praktisch unmöglich machen, im Parlament für eine an sich gute Idee der jeweils anderen Partei zu stimmen. Genau so übel sind sogenannte „Probeabstimmungen“ innerhalb einer Partei (in Deutschland nicht ungewöhnlich), wenn es um besonders wichtige Fragen geht. Abtrünnige Schafe werden dann schon entsprechend auf „Linie„ gebracht.

 

Die Folgen sind bekannt: allgemeine Wahlmüdigkeit, Stärkung extremer Kleinparteien (durch populistische Programme) und wenn es dann zu einer Koalition mit einer der großen Volksparteien reicht, so ist wieder Streit sowohl innerhalb dieser Koalition, als auch mit der Opposition in einem Maße vorprogrammiert, der weit über den erwünschten Meinungs-Pluralismus im Parlament hinausgeht.

 

In Wikipedia findet frau/man folgenden Satz:

 

„In den Jahren 508/07 bis 322 v. Chr. herrschte in Athen eine direkte Demokratie mit einer Bürgerbeteiligung, deren Ausmaß von keiner späteren Demokratie wieder erreicht worden ist.“

 

Was frau/man dort nicht findet ist, dass Athen damals etwa 25000 Einwohner hatte, wobei Sklaven (bzw. Unfreie) und auch Frauen kein Wahlrecht hatten. Es gab also wohl kaum mehr als 5000 (eher weniger) Wahlberechtigte! Nachdem diese wenigen Patrizier sich vermutlich (wie in einem kleinen Dorf) alle persönlich kannten, und weil es ferner bekannt ist, dass sich die alten Griechen für Politik überdurchschnittlich interessierten, kann man verstehen, dass die Demokratie damals tatsächlich für eine gewisse Zeit einigermaßen funktionierte.

 

Um heute wieder zu funktionierenden Demokratien in Europa zu kommen, können wir aber nicht die Sklaverei wieder einführen und den Frauen das Wahlrecht nehmen – den Politikwissenschaftlern muss also wohl etwas anderes einfallen! – ob sie dazu in der Lage sind ? Besser frau/man fragt ganz einfach Frau/Herrn Hinterhuber vom Stammtisch.

 

Und wenn wir uns nicht auf Frau/Herrn Hinterhuber verlassen wollen?

 

Dann sollten wir es uns angewöhnen, wieder selbst zu denken. Dazu gehört insbesondere der Abschied von liebgewordenen Gewohnheiten:

 

1. Die Partei zu wählen, aus deren familiärem Umfeld wir kommen.

2. Die Partei (aus Protest gegen diese familiäre Umfeld) nicht zu wählen.

Ferner (jedoch nicht allzu zu fern):

3. Öfter einmal „anders“ als bisher zu wählen.

4. Die Wahlbeteiligung dadurch zu steigern, dass frau/man von ihrem Wahrecht Gebrauch macht – alles andere ist „Faulheit“

5. Aufrufe, nicht „weiß“ zu wählen, sollten ignoriert werden. Wenn – wie es immer üblicher wird – Wahlbeteiligungen um oder unter 50 Prozent liegen, deutet frau/man damit die Resignation an: „es ist mir eh’ alles wurscht“. Damit ebnet frau/man den Weg zu radikaleren Regierungen – bis hin zu Diktaturen, woran dann niemand schuld gewesen sein will.

 

Wenn alle 50 Prozent Nichtwähler zur Wahlurne gingen und „weiß“ (also ungültig) wählen würden, wäre dies ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass nicht Faulheit, sondern Unzufriedenheit mit den zur Wahl antretenden Parteien besteht – und das hieße:

 

Parteien müssten sich – unabhängig von falschen, nichtssagenden aber „griffigen“ Wahlparolen auch inhaltlich wieder etwas einfallen lassen.

 

Wenn es dann trotzdem zu Koalitionen kommt, was nach unserem Wahlrecht sehr wahrscheinlich ist – würde es bei Koalitionsverhandlungen dann jedenfalls um wirkliche „Inhalte“ und nicht um Prestige-Parteipositionen gehen. Es käme zwar auch dann zu Kompromissen, allerdings nicht nach dem Schema:

 

„Wenn du mir, dann ich dir!“

 

 

(2010, red. 2018)

 

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