Wie entsteht ein Arzneimittel? - Eine kleine Einführung von den Anfängen bis zu den neuesten Methoden

Verknüpfung der Ribonucleinbasen - ® grafisch verändertes gemeinfreies Bild aus Wikipedia (Alfred Rhomberg)

 

 

Wann und wie hat Arzneimittelforschung begonnen?

 

Zunächst war die Pharmaforschung eine reine Erfahrungswissenschaft (wie die Medizin) und beruhte auf der Beobachtung der Tricks der Natur und Versuchen, diese nachzuahmen. Die Natur hat die wirksamsten aber auch giftigsten Stoffe erzeugt. Die chemisch wissenschaftliche Verwertung dessen, was wir aus der Natur gelernt haben war erst möglich, als die Chemie sich von der „Alchemie“ des Mittelalters zur Wissenschaft gewandelt hatte (ab ca. 1830). Die Gründung der ersten Chemie- und Arzneimittelfirmen um 1850 (Bayer, Hoechst, Hoffmann LaRoche, Boehringer und viele andere) beschleunigte die Arzneimittelentwirklung, zumal bereits zu dieser Zeit die Unterschiede zwischen der universitären und industriellen Forschung verschwammen bzw. sich gegenseitig befruchteten.

 

Die Bedeutung des Zufalls

 

Ein typischer Zufall war die Erfindung des Penicillins durch Alexander Flemming (1928). Zufälle gibt es viele, sie zu nutzen ist nur durch Beobachtungsgabe möglich und die Fähigkeit, die richtigen Schlüsse ziehen.

 

Arbeitshypothesen: auch falsche Hypothesen sind wichtig, weil sie zu neuen Fragen führen.

Nicht nur die Sulfonamide wurden durch eine falsche Arbeitshypothese gefunden.

 

Die Geburtstunde der (fast) sicheren Arzneimittel

 

Die Geburtsstunde moderner Arzneimittelsicherheit begann mit dem ersten großen Arzneimittelskandal – den Missbildungen durch das Schlafmittel Contergan (1961). Der Vorfall sollte nach heutiger Sicht – so tragisch er für die Betroffenen ist - nicht als „Skandal“ aufgefasst werden - die Toxikologie entsprach bis zu diesem Zeitpunkt dem Wissen der damaligen Zeit. Dass es von 1958 bis zum Verbot von Contergan (1961) solange brauchte, liegt an einer Verkettung mehrerer ungünstigen Umstände(1). Seit dieser Zeit entstanden dann in allen seriösen Arzneimittelfirmen Abteilungen, die sich ausschließlich mit Arzneimittelsicherheit beschäftigen (Bioanalytik und Biometrie). Die „Bioanalytik“ arbeitet mit den teuersten technischen Geräten und modernsten biochemischen Diagnostikverfahren, deshalb wurde heute einen Stand erreicht, der einen „Conterganskandal“ praktisch unmöglich macht. Darüber hinaus wurde das internationale Arzneimittel-Zulassungssystem, ohne das kein Arzneimittel verkauft werden darf, verschärft. Bioanalytik und Arzneimittelzulassung sind heute selbstverständliche Voraussetzungen für die Sicherheit von Arzneimitteln, die Kosten der Arzneimittelforschung haben sich dadurch enorm erhöht - die „goldenen Zeiten“ der Gewinne sind - zumindest bei seriösen Pharmafirmen, vorbei. Nur sehr große Firmen können heute noch innovative Arzneimittelforschung betreiben.

 

Rückkehr zu hochwirksamen Naturstoffen – mit dem jetzt stark erweiterten Wissensstand der medizinischen und biochemischen Vorgänge im menschlichen Körper

 

Die Medizin, lange Zeit „nur“ Erfahrungswissenschaft, ist durch die Kenntnisse der biochemischen Vorgänge heute zu einer echten Naturwissenschaft geworden(2). Die Arzneimittelforschung greift häufig wieder auf Prinzipien der Natur zurück, jetzt jedoch mit wesentlich größerem Verständnis für biologische Vorgänge.

 

„Screening“ – ein wichtiger Ansatz, neue Arzneimittelstoffe zu finden

 

So wie nach der Entdeckung des Penicillins anschließend Tausende von Bodenproben zur Suche nach neuen Inhaltstoffen in Pilzen getestet wurden, wird auch heute „gescreent“, d.h. es werden jährlich Hunderttausende von synthetischen Substanzen und in der Natur vorkommenden Substanzen mit neuesten Methoden (Trenn-/Isolierungsverfahren, hochempfindlichen Geräten wie Massenspektrometern und NMR-Geräten (Kernmagnetische Resonanzspektroskopie) und modernen medizinischen Testverfahren auf neue pharmazeutische Wirkstoffe geprüft. Werden bei diesen Versuchen wirksame Substanzen gefunden, so beginnt ein langer Prozess der chemischen Optimierung und medizinischer Verfahren. Erfolgversprechende Wirkstoffe werden in klinischen Studien (Phase I bis III) geprüft.

 

Der lange Weg zum Arzneimittel

 

Nur ganz wenige Substanzen erreichen das Ziel einer Arzneimittelzulassung, wobei heute auch geprüft wird, ob ein Zusatznutzen gegenüber bereits bestehenden Arzneimitteln besteht. Da erfolgversprechende Wirkstoffe gleich nach ihrer Auffindung patentiert werden sollten, die normale Patentlaufzeit nur 20 Jahre besteht und weil die klinischen Versuche und Studien bis zur Zulassung oft bis zu 15 Jahren dauern, bleiben die Gewinnmöglichkeiten einer Pharmafirma auf die kurze Zeit der Patentrestlaufzeit beschränkt. Während dieser Zeit müssen auch die enormen Entwicklungskosten amortisiert werden, sodass die Kosten neuer Arzneimittel entsprechend hoch sein müssen um auch einen Gewinn zu erzielen. Jede Art von Preisregulierungen durch staatliche Behörden wirken sich negativ aus: die Pharmafirmen reduzieren ihre Aktivitäten zur Auffindung neuer innovativer Arzneimittel. Nach Ablauf der Patentzeit kann ein Arzneimittel von anderen Firmen (ohne den enormen Aufwand der Forschungs- und Entwicklungskosten) kopiert und als „Generikum“ verkauft werden.

 

Anm.: Heute werden teilweise recht veraltete, wenn auch wirksame Substanzen als Generika verkauft. Wenn die innovative Pharmaindustrie ihre Bemühungen zur Auffindung neuer synthetischer Therapeutika auf modernem wissenschaftlichen Stand aus Kostengründen immer weiter einschränkt, wird es bald nur noch stark veraltete Generika geben! 

 

Der Einsatz des Computers zur Findung neuer Arzneimittel

 

Mit dem Computer kann man chemische Strukturen von Arzneimitteln räumlich abbilden und  in die Eiweißstrukturen unseres Organismus einpassen. Dadurch ist es möglich die Wirksamkeit von Arzneimitteln oft wesentlich zu steigern bzw. die Dosis zu verringern,  wobei die Gefahren von Nebenwirkungen und Leberschädigungen wesentlich herabgesetzt werden.

 

Neue zielorientierte Trends der Arzneimittelforschung – Stand und Ausblick

 

Unsere heutigen Kenntnisse erlauben es, körpereigene Stoffe künstlich herzustellen, die natürlichen Abwehrsysteme unseres Organismus zu stärken und die Dosis vieler Arzneimittel  durch Kenntnis biochemischer Vorgänge so herabzusetzen, dass die Schädigungen durch Arzneimittel (u.a. bei der Chemietherapie) wesentlich geringer sind als früher. Bei dieser Forschung spielt die Humangenetik und Stammzellenforschung eine besonders wichtige Rolle. Monoklonale Antikörper sind schon jetzt wichtige neue Therapeutika zur Krebsbehandlung. 

 

Schlussbetrachtung

 

Ernste Erkrankungen sind ohne medizinische Behandlung nicht heilbar. Ebenso wichtig sind jedoch psychologische Betreuung, das Wiedererlernen von Optimismus und die eigene Beobachtung der Erfolge einer Therapie. Es ist erwiesen, dass eine optimistische Einstellung zum Leben und zu den Gefahren, die jedes Leben birgt, das Immunsystem stark fördert – ebenso wie andauernder Stress und Pessimismus das Immunsystem schädigen können. Wer keinen Lebenswillen hat, dem kann eigentlich niemand helfen.

 

(14.12.2014)

 

Weitere Hinweise zu Begriffen wie „Gesundheit“, Generika etc. finden Sie in meinem Pharmamagazin „Pharma Selected“ unter Allgemeines http://www.pharma-select.net/allgemeines/ In diesem Magazin wird  über modernste therapeutische Methoden, (insbesondere Stammzellenforschung und monoklonale Antikörper), aber auch über die Methoden der Alternativmedizin berichtet.

 

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(1) "1958 wurden Fehlbildungen bei Neugeborenen erstmals im Bundestag diskutiert. Damals wurde ein möglicher Zusammenhang mit Kernwaffentests vermutet. Die Häufung wurde jedoch zunächst aufgrund der in Westdeutschland nach der nationalsozialistischen Vergangenheit gelockerten Meldepflichten, mangelnder Koordination der staatlichen Stellen und der Forschung und weiterer Probleme bei der statistischen Erfassung nicht ernstgenommen. Erst Ende 1961 wurde der Zusammenhang zwischen Contergan und den Fehlbildungen erkannt und das Medikament vom Hersteller, der Grünenthal GmnH  in Stolberg, vom Markt genommen". (Zitat aus der Wikipedia-Enzyklopädie).

 

(2) Das hat auch Nachteile, weil sich die "verwissenschaftlichte" Medizin dadurch insbesondere in Großkliniken zunehmend vom Menschen abwendet und in ihm nur den "Fall" sieht. Dies ist ein wesentlicher Grund warum sich die Menschen heute oft von der "Schulmedizin" abwenden. In dem oben angesprochenen Pharmamagazin wurde daher auch versucht, in einem gesonderten Ordner Vor- und Nacheile einzelner Ansätze der  Alternativmagazin abzuwägen (siehe: http://www.pharma-select.net/alternativmedizin/).

 

 

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