Regen in der Sahara - es lebe die Wissenschaft!

 
Regen in der Sahara - © Alfred Rhomberg

 

Niemand hatte es vorausgesehen, plötzlich zogen dichte Wolken über die weitgespannte Wüste der Sahara und bald begann es in Strömen zu regnen. Der heiße Sand verhielt sich zunächst wie eine heiße Kochplatte auf welche Wassertropfen spritzen. Einige Zeit lang verdampften die Tropfen, jedoch in dem Maße, wie sich der Vorgang fortsetzte, entstanden dichte weiße Nebel über der Wüste, sodass  keine wie auch immer gearteten Strukturen mehr erkennbar waren. Nach einigen Tagen war der Boden so weit abgekühlt, dass sich der Nebel lichtete weil das Wasser jetzt nicht mehr verdampfte, doch noch immer goss es in Strömen.

 

Nachdem sich die Nebel schließlich vollständig verflüchtigt hatten, ließ sich das volle Ausmaß des Ereignisses erkennen – eine verwüstete Wüste. Überall standen tropfende Kamele und Dromedare in der nassen Schlammlandschaft herum, arme Geschöpfe, die den Anschluss an ihre Karawanen im dichten Nebel verloren hatten und die, obwohl gelegentlich „Wüstenschiffe“ genannt, mit dem ungewohnten Medium Wasser, außer in bescheidenen Mengen, nichts anfangen konnten. Sie blickten verwirrt in den Himmel oder zu Boden und auch der Sand konnte mit dem ungewohnten Medium nichts anfangen, er hatte im Laufe der Jahrtausende verlernt, blühende Landschaften bzw. Oasen zu bilden – ähnlich wie ehedem kommunistische Länder nichts mit den Kapitalströmen die plötzlich auf sie einprasselten, anzufangen wussten. Die Meteorologen mit ihren Messinstrumenten und Computern waren gleichfalls ratlos – Messinstrumente messen stets nur das, was man ihnen zu messen gibt und Computer prophezeien grundsätzlich nur Ereignisse, für die entsprechende Daten vorliegen. Wenn seit nunmehr zehn Tagen lediglich Daten vorliegen, dass es regnet, so regnet es eben computergenau weiter – da können auch die Meteorologen nichts daran ändern – alle Erklärungsversuche wären unwissenschaftlich! Natürlich begannen die Wissenschaftler trotzdem über die Ursachen des Regens nachzudenken, so etwas führt jedoch meist zu nichts – allenfalls zu nachdenklichen Meteorologen – es wäre so, wie wenn sie darüber nachgedacht hätten, warum es in der Sahara früher nicht geregnet hatte – manchmal sind Meteorologen (wie alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) gleich unwissend wie tropfende Kamele oder Dromedare, auch wenn sie dies niemals zugeben würden.

 

Wie würde es nun weitergehen?

 

Die Antwort ist im Prinzip einfacher als zunächst vermutet, weil es nur zwei Möglichkeiten gibt: a) es könnte weiterregnen, dann ergäbe sich allenfalls die Frage nach dem „wie lange noch“ – oder: b) es würde plötzlich wieder aufhören zu regnen. Der Versuch, einfache Fragen zu beantworten, führt oft an die Grenzen der Logik. Würde man (oder die Meteorologen) zum Beispiel der Möglichkeit a) nachgehen, käme man (oder die Meteorologen) bald zu einer Argumentationsunschärfe, die in der Frage „wie lange noch“ begründet wäre. Würde es nämlich bald zu regnen aufhören, so wäre die Frage b) überflüssig, es lohnte sich gegebenenfalls nur über die Begriffe „bald“ und „plötzlich“ nachzudenken und man würde dann feststellen, dass je „balder“ ein “bald” wird, sich letzteres immer mehr dem Begriff „plötzlich“ annähert. Dies wäre eine Feststellung, welche den im Augenblick betroffenen Kamelen und Dromedaren ziemlich egal gewesen wäre (es liegt in ihrer Natur, dass sie sich nicht für derartige Spitzfindigkeiten interessieren). Anders sah das Problem jedoch für Mathematiker aus, für die es ein Leichtes war, eine Limesrechnung „plötzlich“ gegen „bald“ (oder bald gegen plötzlich) aufzustellen. Wichtig ist für uns und die tropfenden Kamele bzw. Dromedare bei den oben angedeuteten zwei Möglichkeiten lediglich, dass der Fall b) „es würde plötzlich wieder aufhören zu regnen“ mit dem Fall a) zusammenfallen bzw. sogar identisch würde – so einfach sind in der Regel nur wenige philosophische Probleme zu lösen.

 

Inzwischen hat es in der Sahara aufgehört zu regnen, die Felle der Kamele und Dromedare trockneten und die Tiere fanden zu ihren Karawanen zurück. Den Meteorologen gelang es auffallend schnell, ihre Unwissenheit durch hieb- und stichfeste Prognosen über Hagel, Blitz, Schnee und Regen (außerhalb der Saharazone) zu verbergen und Unwissenheit dadurch in Wissen umzuwandeln, wobei die meisten von ihnen hofften, dass es in der Sahara sobald nicht wieder regnen würde. Meteorologen, Philosophen und Mathematiker (deren Wissenschaften sich allenfalls gelegentlich überschneiden, jedoch sonst nicht viel mit einander zu tun haben), waren zufrieden, ein schwieriges Problem so elegant gelöst zu haben.

 

Es lebe die Wissenschaft!

 

(26.09.2014)
 

 

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