The Pursuit of Happiness
Das Streben nach “Glückseligkeit” steht in der Präambel der Unabhängigkeitserklärung der USA vom 4. Juli 1776 als Wert festgeschrieben, der weitgehend naturrechtlich abgeleitet ist.
Dieses Streben nach Glück ist sicherlich eine Grundeigenschaft menschlicher Existenz, aber haben wir ein Recht darauf? Schön wär’s, wenn es so wäre! Die Praxis sieht anders aus, vielleicht wurden deswegen solche Passagen wie „The Pursuit of Happiness“ in unseren Verfassungen oder Grundgesetzen bewusst vermieden – wir sind ja immer etwas gründlicher/pessimistischer als unsere amerikanischen Freunde.
Glück ist eine sehr individuell empfundene Befindlichkeit – Liebesglück, das Glück in einer schönen Landschaft zu leben, eine Bergtour zu machen, Arbeit oder Erfolg zu haben, eine Yacht zu besitzen – das alles sind keine wirklich vergleichbaren Befindlichkeiten aber all dies kann als Glück empfunden werden. Es wäre zu einfach, Glück bzw. Glücksgefühl nur als biochemisch ausgelösten Vorgang nach dem Muster „alles was Endorphine (oft als Glückshormone bezeichnet) ausschüttet, führt zu einem Glückszustand“. Das Glücksgefühl ist in viel größerem Ausmaß ein Lernprozess und dadurch ein im Gehirn gespeicherter Inhalt, durch den je nach „Erziehung“ (Erfahrungen) des Gehirns unterschiedliche Glücksempfindungen resultieren. Für die Einen bedeutet Liebe alles, für andere ist Reichtum wichtiger. Die genannten Glückshormone zu sehr in den Vordergrund zu stellen, würde ja auch bedeuten, durch andere chemische Substanzen wie Alkohol und Rauschgifte, bis hin zu Valium oder dem aus der Literatur bekannten „Soma“ (New Brave World, Aldous Huxley) erzeugte Glücks- oder Beruhigungszustände als „Glück“ zu bezeichnen. Solche Substanzen können die Wahrnehmung, d.h. im Augenblick erlebte Dinge, aber auch die im Bewusstsein bereits abgespeicherten Inhalte im positiven wie auch im negativen Sinne manipulieren(1). Das hat mit „Glückseligkeit“ wenig zu tun, sonst wäre „The Pursuit of Happiness(2)" leicht in alle Verfassungen anlog etwa zur Rechtstaatlichkeit oder dem Recht auf Bewahrung der Menschenwürde einbaubar, z.B. „Jeder hat das Recht auf eine bestimmte Menge Alkohol, Rauschgift oder Valium“.
Der Glücksbegriff lässt sich beliebig relativieren – u.a. in den „Glücksspielen“ wie Lotto oder Roulette, die bekanntlich auf dem Zufallsprinzip beruhen, bei welchen Glück immer dann als Glück empfunden wird, wenn einer/einem das Glück selbst zufällt, während die VerliererInnen von „Pech“ sprechen. Tatsächlich lässt sich „Glück“ in gewissem Maße provozieren – entweder, dass frau/man dem Zufall dadurch auf die „Sprünge hilft“, indem die Zahl der günstigen Fälle künstlich erhöht wird (beim Lotto z.B. durch das Ankreuzen möglichst vieler Tips), oder dass frau/man sich dazu erzieht, in einer Art Selbstbetrug „optimistisch“ zu denken (grundsätzlich “nur” positiv zu denken wäre allerdings Dummheit), wobei Methoden wie Yoga(3), autogenes Training in jedem Fall nützlich sind und sogar esoterische Methoden hilfreich sein können um Glücksgefühle zu erzeugen. Letztere mögen zwar eine Art von Selbstbetrug sein, was keineswegs nur abwertend gemeint ist – wir leben in vieler Hinsicht vom Selbstbetrug und sind damit glücklich. Sogar der französische Mathematiker Blaise Pascal (1623-1662) hat als rational denkender Mensch einmal gesagt:
„Das Herz hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“
Dieser weise Ausspruch sollte auch das Thema beenden, weil die Literatur über Begriffe wie „Glück“ oder „Zufall“ überquillt (allerdings beschäftigt sie sich mehr mit dem Unglücks-, als dem Glücksbegriff). Schlussendlich beschäftigen sich auch Teilbereiche der Philosophie mit der Frage, ob unsere Welt letztlich deterministisch, d.h. kausal eindeutig vorherbestimmt, oder zufällig ist. Wäre sie streng deterministisch bestimmt, so wären damit auch Glück und Unglück bestimmt und das Streben nach Glückseligkeit bzw. “The Pursuit of Happiness” Teil eines deterministischen Konzeptes.
(1 )Nach Philipp Mayring (“Psychologie des Glücks”) wird zwischen aktuellem Glückserleben (“state”, englisch: Zustand) und biographisch entwickeltem Lebensglück (“trait”, englisch: Charakterzug, Merkmal) unterschieden. Im Deutschen gibt es diesen exakten Unterschied von „Glück“ in der Glücks-Psychologie“ sprachlich nicht. Insgesamt sind die Ergebnisse der Glücksforschung nach wie vor widersprüchlich.
(2) „The Pursuit of Happyness“ ist u.a. ein US-amerikanisches Filmdrama von Gabriele Muccino aus dem Jahr 2006.
(3) Yoga und autogenes Training beeinflussen nachgewiesenermaßen das autonome Nervensystem und sind daher sicherlich kein Selbstbetrug – der einzige Schönheitsfehler dieser Methoden ist, dass gerade Menschen, die davon am meisten profitieren könnten, oft nicht die erforderliche Zeit dafür aufbringen können.
(3.5.2012)