Törggelen

 

 

Törggelen - © Alfred Rhomberg

 

 

 

 

Jeden Spätherbst bricht in tirolischen Gefilden die Törggele-Krankheit aus. Das was ursprünglich in Südtirol ein geselliges Beisammensein im sogenannten Torggl Raum war (der Raum in dem die Weinpresse stand), ist heute zu einer Touristen-Attraktion und Massenabfertigung – auch in Nordtirol geworden.

 

Törggelen“ geht auf den lateinischen Begriff „torquere“ (drehen) bzw. torculum zurück und nicht etwa auf den Zustand des Torkelns nach einem Zuviel des Weingenusses.

 

Es gibt in Südtirol immer noch ursprüngliche Höfe oder Gasthäuser in denen man diese Krankheit halbwegs angenehm überstehen kann – viele sind es nicht mehr und sie werden als Geheimtip gehandelt – weswegen sie fast stets ausgebucht sind. Früher machte man Wanderungen durch Südtirol und fand nach ein paar Stunden ein urtümliches Haus, in dem es die berühmte Gerstlsuppe und anschließend eine handvoll Kastanien (Keschtn) gab, dann wanderte man weiter und aß in einem andere Haus den berühmten Tiroler Bauernspeck frisch aus der Selchkammer. Heute steuert man mit dem Auto ein vorgebuchtes Törggeleerlebnis an, das meist in Gasthäusern mit gehobenen Zimmerkomfort stattfindet. Die Gerstlsuppe gibt es zwar immer noch, sozusagen als Vorwand für die nachfolgenden genormten Törggele-Spezialitäten, deren Genuss in handfeste „Fresserei“ ausartet. Wer kann schon Speckplatten, Hauswürste, Selchkarree mit Sauerkraut und anschließend noch gebratene Kastanien und Krapfen schadlos überstehen? Dazu wird einiges an Nuiem (neuer Wein) konsumiert, was anschließend unbedingt der gebuchten Komfortzimmer bedarf. Eigentlich dürfte man dann einige Tage nichts mehr essen, oder man müsste halt viele Bergwanderungen unternehmen, dass man diese Tortur in anderer Gesellschaft noch ein zweites Mal übersteht.

 

In den vergangenen Jahrzehnten ist also aus einem schönen Brauch zunächst ein Brauchtum geworden das inzwischen zum “Gebrauchttum” degeneriert ist, ein Wort, dass es zwar noch nicht gibt, für mich aber alle Bräuche umfasst, die ihre Seele verloren haben.

 

Und heute am Spätnachmittag geht’s zum Törggelen!

 

(28.10.2008) 

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Törggele-Lokale gibt es unzählige in Südtirol (inzwischen auch in Nordtirol). Meist schließt man am nächsten Tag eine Wanderung an. Nur ein Beispiel, auch wenn es viele Ziele nicht mehr in der ursprüglichen Form gibt: zB.

„Schloss Sonnenburg Südtirol“. Wie Leinenfasern wurden früher (wie abgebildet) hergestellt.

Anm.: Ursprünglich gehörte die Burg den Gaugrafen von Lurn und Pustertal. Im Jahre 1022 ging es an die Benediktiner als Damenstift. Nach fast achthundert Jahren wurde 1785 durch Kaiser Joseph II. im Zuge des der Säkularisation das Kloster aufgelassen. Dabei wurden auch die Bibliotheks- und Archivbestände verstreut, deren Überreste sich heute an verschiedenen Standorten (Innsbruck, München, Bozen, Nürnberg) befinden. Nach einer sehr wechselvollen Geschichte konnte mein Freundeskreis 2004 das Innere einer solchen Burg noch besuchen. Heute wurde daraus ein „touristisches“ Hotelschloss gemacht – schade!

 

AR: 2004

 

 

 

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