Land und Leute – der/ die TirolerIn
Tiroler sind im Allgemeinen leicht zu halten und bedürfen – im Gegensatz zu Bergschafen – nur geringer Aufmerksamkeit, weil sie fleißig sind und alles selbst verrichten. Sie haben wenig Bedürfnisse – ein Haus mit Pool, ein Mountainbike, ein Konzert- bzw. Theaterabonnement, ein Urlaub jährlich (vorzugsweise nach Kathmandu oder Bolivien) und gelegentlich etwas zu essen genügen. Das gleiche gilt für Tirolerinnen, die einem besonders auf Spazierwegen meist als Joggerinnen begegnen, ansonsten sind sie gleich bescheiden wie die Tiroler. Wenn Tirolerinnen aufmüpfig werden, sollte man sich jedoch in Acht nehmen – siehe Anna Hofer, die wegen ihres "Andreas" auch gelegentlich aufmüpfig wurde (das Leben mit Freiheitshelden ist anstrengend).
Das Land Tirol als Überbegriff und Heimat der TirolerInnen ist stolzer als andere Länder, von denen jedes wiederum stolzer ist als das Land Tirol und das ist gut so – auch wenn es nicht begründbar ist. Dieses Phänomen nennt man „gesunden Föderalismus“.
Ansonsten besteht Tirol aus Bergen und dadurch unvermeidbaren Tälern, wobei in jedem Tal eine scheinbar andere Sprache gesprochen wird. Gebildete Tiroler sagen z.B. „hinauf" und „hinunter“ mit der absoluten Pflicht der Betonung und Verlängerung der ersten Silbe, sodass man nicht mit deutschsprechenden Ausländern verwechselt wird, was TirolerInnen gerne vermeiden wollen, obwohl wegen der offenbar angeborenen Kehllaute sowieso keine Gefahr dafür bestünde. Aber auch „aui“ (gelegentlich „auer“) und „oi“ bzw. „aufi“ und „abi“ werden landesweit verstanden, wobei das „a“ in „abi“ schon mehr nach „o“ klingen muss. TirolerInnen benützen das normale Alphabet ohne Accents, welche das Erlernen der Landessprache vermutlich erleichtern würden – allerdings will man eigentlich gar nicht, dass Ausländer fluently tirolerisch sprechen, wobei wieder die oben angesprochene Aufmüpfigkeit durchbricht.
Was die Berge betrifft, würde es jeder Tirolerin bzw. jedem Tiroler wohlanstehen, wenn sie/er die Berge für längere Zeit verließen – nicht nach Kathmandu oder in die Bergwelt Boliviens sondern irgendwo anders hin, wo es keine Berge und kein Tiroler Gröschtl oder Tiroler Graukas (Graukäse) gibt. Solchermaßen geistig erfrischte TirolerInnen fühlen sich nach ihrer Rückkehr (wie der Autor) besonders zurückgekehrt und genießen ihr Land in einem Maße, das dann mit völlig anderen Augen gesehen wird und ein Gefühl für sein Land zulässt, das dem bodenständig gebliebenen Tiroler möglicherweise abgeht.
Es gibt nur einen Punkt, in welchem das Land zunehmend gespalten wird – die Einstellung zum Landesheroen Andreas Hofer, was besonders bei Gedenktagen zur Tiroler Geschichte besonders zum Ausdruck kommt. Es ist einfach nicht mehr die Zeit für Landesheroen – aber Europaheroen gibt es bis dato nicht und wird es auch nie geben. Deshalb müssen „heroensüchtige“ Menschen halt mit dem leben, was jedes Land aus dem Staub seiner eigenen Geschichte macht. Es gibt allerdings doch noch einen anderen Punkt, in welchem das Land (zumindest das Bildungsbürgertum der Hauptstadt Innsbruck) gespalten ist, nämlich ob frau/man ein Theaterpremierenabonnement oder ein Konzertabonnement hat.
(2010)