Das kleine Land Ostarrichi III – „da tritt der Ostarrichier hin vor jeden...“
Nach Grillparzer eigentlich:
„...da tritt der Österreicher hin vor jeden,
denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!...“(1)
Und noch einmal zu Beginn als Einstimmung der erste Absatz des Beitrages „Das kleine Land Ostarrichi zwischen Phäakentum und Utopia“ (2):
„Es war einmal ein kleines Land namens Ostarrichi. Das Land wurde von zwei Königen und einem, der gerne König werden wollte, beherrscht. Daneben gab es neun Herzöge, die aber nur in ihrem eigenen kleinen Bereich mehr oder weniger recht und schlecht regieren konnten. Eigentlich bildeten sich die Könige nur ein, ihr Land zu beherrschen, denn das Volk ist undankbar und lässt sich nur von solchen KönigInnen beherrschen, die ihnen Vorteile versprechen und daher versprach jeder von ihnen alles, auch wenn sie es nicht besaßen“.
Die „kaiserlose, die schreckliche Zeit...“(3) war inzwischen vorbei, es gab nach vielen Pannen und nicht klebenden Briefwahlkuverts wieder einen Kaiser, „Präsidenten“ genannt, mehr denn je galt jedoch der in der Einstimmung genannte Sachverhalt, es gab jedoch noch ernstere Probleme:
1). Ein Nochnicht-König, der gerne König werden wollte, nahm das obige Grillparzerzitat etwas zu ernst und wollte, gleichgültig was andere außerhalb Ostarrichi über das Land reden, am liebsten wieder alle Beziehungen mit den anderen Ländern Europas und der Welt „kritisch hinterfragen“, bestehende Vereinbarungen wieder rückgängig machen und notfalls auch wieder eine inzwischen veraltete Geldwährung, den ehemals starken „Ostarrichi-Schilling“ wiedereinführen. Er sagte das niemals so ganz deutlich, deutete seine Vorhaben jedoch insbesondere gegenüber einer treuen Schar von Anhängern umso deutlicher an.
2). Die beiden anderen Könige hatten es miteinander nicht leicht – auch weil der eine (noch sehr junge Königanwärter) sich lieber bei wichtigen Entscheidungen meist nur vertreten ließ und seine Vertreter zusammen mit den Nochverantwortlichen beweisen wollten, dass sie fähig waren, das Land klug und weise zu regieren - allerdings waren sie sich heute einig und am nächsten Tag plötzlich nicht mehr, zudem wurde die Uneinigkeit durch die neun Unterkönige immer wieder geschürt. Über verschiedene Begriffe wie „Mindestsicherung“, „Schulreformen“ und „Schengen-Ausgleichsmaßnahmen“ ließ sich trefflich und lange streiten, länger jedenfalls als die noch verbleibende Regierungsperiode und vermutlich auch die folgenden Regierungsperioden es erlaubten.
3). Die seit einiger Zeit ausgebrochene „Twitter-Krankheit“ wurde, im Gegensatz zu den klaren kurzen präsidentalen Anweisungen nach dem Muster des US-Präsidenten Trump, in Ostarrichi eher schwammig von Königen, Unterkönigen und meist sogar von Nichtkönigen und nur in Form von Polemiken oder Schilderung kleiner harmloser Befindlichkeiten angewendet. Jeder kannte dadurch die persönlichen Befindlichkeiten fast aller Ostarrichier, z.B. dass sich der Ostarrichier „A“ gerade im Bad befand oder der Ostarrichier „B“ sich einer kleinen harmlosen Operation unterziehen musste. Noch intimere Details wurden durch andere „Social Networks“ ausgetauscht. Das war im Prinzip irgendwie erlaubt, andererseits auch wieder (irgendwie) nicht erlaubt, sodass sich diese Kommunikationsmittel immer mehr zu unsozialen Networks entwickelten - die Ostarrichier sind freie Bürger und dürfen dementsprechend nahezu alles machen, was nützlich oder unnützlich ist. Das ist offenbar in volksnahen Demokratien kein Widerspruch.
Doch es gab auch viel ernstere Probleme im kleinen Land Ostarrichi:
4). Die vor vielen Jahrzehnten einst gute Fußballnation wurde zum Sorgenkind der Ostarrichier, alle Fußballvereine wurden daher irgendwann eliminiert, d.h. nicht mehr durch Steuergelder oder Sponsorenverträge unterstützt.
5). Das dadurch fehlende Selbstwertgefühl versuchten die Ostarrichier durch herausragende Ski-Erfolge auszugleichen - vielen Ostarrichiern wurde jedoch zu spät bewusst, dass auch diese Erfolge ein Ende haben würden, weil sich ihre Ski-Athletinnen und Athleten von Jahr zu Jahr durch schwere Stürze immer mehr reduzierten. Das sonst geltende Arbeitsrecht, welches Arbeitgeber verantwortlich für Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz macht und alle Arbeitnehmer verpflichtet sind, selbst alle erforderlichen Schutzmaßnahmen einzuhalten, wurde für den Extremsport ausdrücklich als ungültig erklärt. Wo käme man denn hin, wenn sich Ski-Springer oben an der Sprungschanze mit einem Seil anketten müssten? Und was hätte es für einen Sinn, Höchstgeschwindigkeiten von z.B. maximal 30 Kmh bei schlechten Sichtverhältnissen auf der „Streif“ in Kitzbühel einzuhalten?. Es wurde daher eine neue „Gladiatorenkämpfer-Rechtordnung“ geschaffen, wonach es auch erlaubt war, Ski-KämpferInnen durch Daumenzeichen (nach unten) ins existenzielle „Nichts“ zu stürzen, wenn sie nur wenige Hunderstel-Sekunden langsamer als ihre ausländischen Konkurrentinnen das Ziel erreichten. Wirklich ins existenzielle Nichts stürzten allerdings die Wenigsten, weil ... und da kommen wir gleich zum nächsten Punkt:
6). Viele Ski-SportlerInnen hatten durch unzählige früher angehäufte Hundertstel-Sekunden nach ihrem „Karriere-Aus“ bereits in jungen Jahren so viel Geld verdient, dass sie damit feudale Wintersporthotels errichten konnten, um dort feudale Wintergäste zu beherbergen und so das kleine Land Ostarrichi zu dem weltberühmten „Apres-Skiparadies-Ostarrichi“ zu machen (...“da tritt der Ostarrichier hin vor jeden...“).
Das hatte leider zur Folge, dass in den „klimagebeutelten“ Schneeregionen des kleinen Landes Ostarrichi der oft nur sparsam vorhandene Schnee mittels Schneekanonen nachproduziert werden musste. Dadurch kam es zu ernsten Konflikten zwischen der strom- und wasservergeudenden Tourismusindustrie und den Klimazielen der großen Könige und anderer klimabewusster hochrangiger NichtkönigInnen, welche bis heute andauern (...“und wenn sie nicht gestorben sind, so...“) – außerdem wurden fast alle Berge durch Seilbahnen miteinander spinnengewebeartig vernetzt – und wieder gab es ein unendliches Streitthema...
Alles in allem war aber in Ostarrichich nie etwas wirklich tragisch. Von „Utopia“ hatte man sich längst getrennt, das „Phäakentum“ wurde langsam ausgedünnt, weil viele Ostarrichier wegen der vielen Schul- und Bildungsreformen gar nicht mehr wirklich wussten, was damit gemeint war. Mozart und Haydn kannte man zwar noch vom Hörensagen, Grillparzer meist nicht mehr - und aus ehemals urtümlicher Volksmusik und „Gstanzeln“ wurde „volkstümliche Musik“ mit Groove-Schlagerhits diverser Techno-Groups oder anderen „Buam“. Und außerdem gab und gibt es ja noch das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, durch das viele daran erinnert wurden, dass es einmal Tanz- und Unterhaltungsmusik gab, die sich stark von der „Techno-Musik“ mit ihren zahllosen Unterarten unterschied. Und: last but not least gab/gibt es ja immer noch den Opernball, bei dem sich viele (hm...vielleicht eher nicht ganz so viele) OstarrichierInnen etwas „aufmascherln“ konnten, um sich dadurch auch mental medienwirksam „aufzumascherln“.
Anm.: Auch wenn es sowohl beim Neujahrskonzert, als auch beim Opernball nur eine kleine finanzkräftige Oberschicht ist - diese kleine Schicht genügte wegen der weltweiten TV-Ausstrahlungen, dass dadurch auch die Wirtschaft und die Tourismusindustrie etwas „aufgemascherlt“ wurde und die gesamte Welt glaubte, dass alle Ostarrichier so leben weshalb riesige Touristenmassen in das Land strömten.
Resumée: es passt eh‘ alles im kleinen Land Ostarrichi!
Daher zum Schluss ein Teil aus „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer (1791-1872, Wien), der erst nach 1945 zum eigentlichen Nationaldichter der Ostarrichier ernannt wurde und aus dem das Überschriftszitat stammt.
"Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land, |
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(12.2.2017, redigiert 10.6.2017) |
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