Some things may remain unsolved! - Das alte Türschloss und die Freiheit des Handelns

 
Altes Türschloss - © Alfred Rhomberg

 

 

Nun habe ich also das alte Türschloss vor mir – ich könnte es öffnen. Das Türschloss trennt meine Außenwelt von einer Welt, die ich noch nicht kenne. Da das Schloss sehr alt ist, könnte sich dahinter sogar eine Welt verbergen, die weit in der Vergangenheit zurückliegt. Das wäre aufregend und beängstigend zugleich. Aufregend, weil ich auf Neues, Unbekanntes stieße, wobei das Alte für mich das Neue wäre – beängstigend, weil sich hinter dem Türschloss auch etwas befinden könnte, das meine Vorfahren oder die Vorbesitzer des alten Schrankes kompromittieren würde. Soll ich dieses Risiko eingehen? Andererseits – es könnten sich hinter dem Türschloss auch wertvolle Gegenstände, ein Goldschatz oder vielleicht alte Münzen befinden, die der Besitzer dem öffentlichen Zugriff entziehen wollte. Das Öffnen der Türe mit einem Schlüssel, den ich unlängst am Dachboden gefunden hatte, war einer jener Entscheidungszwänge, denen ich bereits schon so oft ausgesetzt war. Nicht immer waren meine Entscheidungen richtig und ich hätte mir gelegentlich gewünscht, nicht so entschieden zu haben, wie ich letztlich entschieden hatte. Nur weiß ich nicht ob, wenn ich anders entschieden hätte, dies positiv gewesen wäre, weil ich nicht einmal weiß, was für mich positiv ist. Bei solchen Entscheidungszwängen meldet sich mein Gehirn mit einer Reihe vieler zu bedenkender Alternativen, wobei ich mit der Zeit festgestellt hatte, dass mein Gehirn nicht immer ein guter Berater war. So riet es mir zum Beispiel einmal, von einer hohen Brücke, die ich überschritt, nicht herabzuspringen. Das sieht zunächst wie ein weiser Rat aus, bei längerem Nachdenken hätte es auch Vorteile gehabt dem Rat nicht zu folgen – das hätte mir spätere Entscheidungszwänge erspart, so wie jetzt die Entscheidung, das alte Türschloss zu öffnen – oder eben nicht. Vielleicht war der Schrank ja auch völlig leer? Doch gleich schaltete sich wieder mein Gehirn ein und fragte mich, warum sollte jemand einen Schrank verschließen, wenn er leer wäre? Diesmal gab ich meinem Gehirn recht – allerdings überließ es mir die Frage, ob ich überhaupt dazu fähig sei, eine eigene Entscheidung zu treffen – hierüber streiten sich ja wesentlich klügere Gehirne. Ich (oder mein Gehirn) entschieden sich dafür, den Schrank zu öffnen. Mein Gehirn und ich waren gespannt auf das was wir vorfinden würden. Der Schlüssel ließ sich nur langsam und mit ein etwas Gewalt bewegen, schließlich sprang das Schloss auf und mit einem kreischenden Geräusch der Türangeln öffnete sich Tür. Der Schrank war nicht sehr voll – eher leer, außer einer Kassette, deren Schloss wiederum mit einem Schlüssel zu öffnen war, den wir (mein Gehirn und ich) erst nach längerem Suchen in der hintersten Ecke des Schrankes fanden. Er lag dort so, als sollte man ihn nicht auffinden – wir hatten ihn trotzdem gefunden und diesmal musste ich meine Entscheidung die Kassette zu öffnen, ganz alleine treffen, weil mein Gehirn sich zu einer Ruhepause zurückgezogen hatte – vermutlich war dies eine Ausflucht – mein Gehirn war entscheidungsmüde geworden und wollte der neuerlich bevorstehenden Herausforderung entfliehen. Ich entschied mich gleichfalls dafür, zu warten – wichtige Entscheidungen treffe ich ungern allein. Nach ein paar Stunden, als sich mein Gehirn noch nicht zurückgemeldet hatte, fasste ich einen Entschluss und warf die Kassette aus dem Fenster in den nahe gelegenen Fluss. Sollten sich doch andere damit herum ärgern. Kaum hatte ich die Kassette in den Fluss geworfen, meldete sich mein Gehirn zurück, ein Zeichen, dass es mit meiner Entscheidung einverstanden war. Fortan verließ mich mein Gehirn nur noch in sehr seltenen Fällen. Ich belohnte mein Gehirn für diese Treue mit dem Versprechen es in der Zukunft nicht mehr mit derart schwierigen Entscheidungen zu belasten.

 

Some things may remain unsolved!

 

 

 

(13.10.2014)

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