Stadtleben IV – Psychogramm einer Stadt

Psychogramm - © Alfred Rhomberg

 

In einer größeren Stadt gibt es, unabhängig von den unterschiedlichsten sozialen Schichten, Bürger und Bürgerinnen, die wie folgt in Gruppen eingeteilt werden können:

 

1. Nichtalkoholtrinkende, nicht rauchende Frauen (ohne Probleme – mit sinkender Tendenz).

2. Alkoholtrinkende Frauen (weil sie Probleme haben) – Untergruppe: alkoholtrinkend plus rauchend (mit steigender Tendenz).

3. Alkoholtrinkende Männer – selbst wenn sie keine Probleme haben (mit stark steigender Tendenz)

4. Kunstbegeisterte, jede Vernissage und DichterInnenlesung besuchende Frauen (Männer schauen währenddessen Sport TV).

5. Grün politisch engagierte Frauen und Männer (biologisch ernährt und zigarettenrauchend).

6. Linksorientierte engagierte Frauen und Männer (oft nicht biologisch ernährt).

7. Rechts/konservative Frauen und Männer (mit oder ohne Probleme, wenig engagiert, oft langweilig, gelegentlich übergewichtig).

8. Freiheitlich geweckte Frauen und Männer (solange bis sie entweckt werden, mit oder ohne Problemen, populistisch für alles offen – mit oder ohne Zigarette).

9. Joggende, fitnesscenterbewusste Frauen und Männer (mit oder ohne Komplexen)

10. Frauen und Männer mit Suchtproblemen (häufig auch trinkend und rauchend, beziehungssüchtig).

11. Frauen und Männer mit Beziehungsproblemen (ca. 99,1 %, jedoch steigende Tendenz bis weit über 100 %)

12. Psychologische PsychotherapeutInnen, die von den vorgenannten Gruppen (außer 7) zunehmend besucht werden – obwohl sie meist selbst zu allen diesen Gruppen (außer 7) gehören.

13. Weibliche und männliche Psychiater, die trotz ärztlichen Studiums nur von den Extremfällen der vorgenannten Gruppen besucht werden (oder besucht werden müssen) jedoch selbst teilweise ebenfalls zu den genannten Gruppen gehören.

14. Nicht exakt zuordbar (mit, oder ohne, etc.)

 

Wie soll da ein Psychogramm einer Stadt erstellt werden?

 

Zugegebenermaßen wegen Überlappung einzelner Gruppen nicht ganz einfach. Eine von der Stadt beauftragte, nach ganzheitlichen Konzepten arbeitende, abhängige (weil zu einer der Gruppen gehörende) – universitäre Vereinigung unabhängiger SoziologInnen hat folgendes Beschreibungsmodell entwickelt:

 

Eine Stadt ist ein multikulturelles Gemisch aus Ausländern und Inländern (letztere müssen unbedingt einbezogen werden) mit dem Oberbegriff „Männer und Frauen“ (beiderlei Geschlechts), Unterbegriff: Sehn-, Geltungs- und sonstige Süchtige (beiderlei Geschlechts), Kultursüchtige (weiblichen Geschlechts), Homosexuelle (beiderlei Geschlechts), nicht zuordbare arme Schweine (Anm.: vermutlich Übersetzungsfehler, da aus dem Deutschen übersetzt – beiderlei Geschlechts) und natürlich jene, die darauf achten müssen, dass die Ordnung – einschließlich des Psychogramms der Stadt gesetzlich eingehalten wird – also: Polizei- und Vollzugspersonen, Rechtsgelehrte, Politiker, Journalisten (jeweils beiderlei Geschlechts und fast ausschließlich den obengenannten Gruppen zugehörig). Und dann die vielen Verkehrsbediensteten und Taxifahrer (beiderlei Geschlechts), die dafür sorgen müssen, dass alle Obengenannten, die in ihrer Stadt anvisierten Ziele (einschließlich der psychologischen PsychotherapeutInnen) mühelos erreichen können. (Dann folgt eine detaillierte Ausarbeitung einer un/abhängigen Gruppe von psychologischen PsychotherapeutInnen über die psychischen Hintergründe der Zugehörigkeit zu den obengenannten Guppen, die hier wegen ihrer Komplexizität nicht wiedergegeben werden soll. Nur so viel sei vermerkt, dass die Arbeitgruppen nicht klären konnten, warum so viele “beziehungssüchtige” Frauen und Männer der Gruppe 10 in die Gruppe 11 mit Beziehungsproblemen wechseln wollen).

 

Wozu dient ein solches Psychogramm?

 

Um sich von anderen Städten statistisch zu unterscheiden, in denen es die gleichen Gruppen und Probleme, jedoch vielleicht in anderer als der oben genannten Reihenfolge gibt.

 

Welche Probleme waren zur Erstellung des Psychogramms zu überwinden?

 

Im wesentlichen waren Überlappungen der aufgezählten Gruppen mit Hilfe mathematisch komplizierter Modelle zu eliminieren – dies ist der un/abhängigen Gruppe der SoziologInnen mit ihrem oben erstellten Psychogramm relativ gut gelungen (wenn von den Glättungen in dem auch graphisch verfügbarem Psychogramm abgesehen wird, die dadurch erforderlich waren, weil die große Zahl der in einer Stadt lebenden Muslime und Innen, zumindest was das Alkoholproblem betrifft, die Statistik etwas verfälscht).

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Kati, die Journalistin und Nach-Exfreundin von Alexander, der nach seiner vorangegangenen Karriere im Investmentbanking derzeit arbeitslos war, fühlten sich der Gruppe „nicht zuordbar (Gruppe 14) zugehörig – wie das bei allen Individualisten üblich ist. Nachdem sie unabhängig voneinander das in den Zeitungen publizierte Psychogramm gelesen hatten, schrieb zunächst Alex ein e-mail an Kati:

 

lb. kati, gute analyse, gruppe 14 scheint etwas unterrepräsentiert, liegt wahrscheinlich an dem „etc“. – sollten wir am abend in einem guten lokal diskutieren, alex

Kati antwortete unverzüglich:

lb. alex, einverstanden, treffen uns in dem vegetarischen restaurant „biotrop“ in der raucherabteilung um 23 uhr, bitte bringe einen joint mit, habe gerade nichts gescheites daheim, kati

 

(29.8.2015)

 

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