Josef der Weltverbesserer

 

Trübe Gedanken - (c) Alfred Rhomberg

 

 

Josef hatte seine depressive Phase. In solchen Stimmungen will man die Welt verbessern, ohne sich wirklich bewusst zu sein, wie die Welt aussehen sollte, sofern es einem überhaupt gelänge, sie zu verbessern. Er dachte deshalb eher an professionelle Methoden die in der Industrie gelegentlich angewendet werden:

 

Da gab es z.B. den Re-Engineering Ansatz: Man macht alles kaputt und fängt von vorne an. Dieser Ansatz hat bei genauerer Analyse mehr Firmen in den Ruin getrieben, als verbessert und was die Welt betrifft, so hätte er schon Gott dafür bemühen müssen, von dem in der Schöpfungsgeschichte allerdings nach jedem Tag seiner Schöpfung gesagt wird: UND ES WAR GUT ! Da würde sich wenig machen lassen.

 

Dann gab es den aus Japan stammenden Kaizen-Ansatz, bei welchem nichts eliminiert, sondern alles - aber wirklich alles, immer ein bisschen verbessert wird. Bei diesem Ansatz müsste Josef wohl als erstes bei sich selbst anfangen und dann müsste er seine Frau und seine Geliebte überzeugen, sich zu bessern. Die Kinder müssten dann wohl auch bessere Schulnoten nach Hause bringen, was wiederum eine Verbesserung des gesamten Bildungssystems erforderlich machte. Dazu wäre bessere LehrerInnen und bessere Unterrichtsminister oder Ministerinnen unabdingbar, die als BeamtInnen unkündbar sind, weshalb die Verfassung geändert werden müsste - auch schwierig, da pseudodemokratisch gewählte Minister oder Beamte ja nicht so einfach wegen Unfähigkeit entlassen werden könnten. Als nächstes müsste Josef die Autofahrer überzeugen, nicht mehr falsch zu parken, zudem wären Verbesserungen in seiner Firma notwendig, angefangen von der Entlassung seines Chefs etc. und …und…und…

 

Plötzlich hielt er gedanklich inne, weil ihm gerade einfiel, dass er sich bereits bedenklich nahe dem obengeschilderten Re-Engineering Ansatz näherte. So weit wollte er nicht gehen, schon deswegen nicht, weil ihm das alles zu anstrengend gewesen wäre. Und "Kaizen"(?) - so etwas können vielleicht die Japaner, weil sie fleißig sind - er, Josef war dazu jedenfalls nicht imstande. Natürlich wusste Josef nicht, ob und wie viele Japaner depressiv sind – das würden sich Japaner auch niemals anmerken lassen – entweder sie gehen zu einer Geisha, betrinken sich oder sie buchen einen Kurzurlaub nach Wien. Für Josef war das kein Ausweg aus seiner Depression, weil er bereits in Wien lebte. Geishas kamen gleichfalls nicht in Frage – also betrank er sich am Heurigen. Dort wurden seine Depressionen allerdings gewaltig verstärkt, als er feststellte, dass er dort fast ausschließlich sich betrinkende depressive Japaner antraf, die den Tag nach ihren geschossenen Pflichtfotos entsprechend ausklingen lassen wollten, bevor sie am frühen Morgen ihr Flugzeug nach Tokyo bestiegen. Josef und die Japaner sangen zusammen einige Stunden: „Wien, Wien, nur du allein…“

 

Plötzlich lösten sich Josef’s Depressionen ins Nichts auf – nicht etwa , weil er bereits in Wien wohnte, sondern, weil er morgen früh nicht nach Tokyo musste.

 

Die Welt sollte ruhig so bleiben wie sie ist! 

 

 

(5.5.2013)

 

 

 

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