Versammlung in Erwartung eines roten Phänomens
 

Erwartung eines roten Phänomens - © Alfred Rhomberg

Rote Phänomene sind relativ selten und wenn sie auftreten, verheißen sie nichts Gutes. Aus diesem Grunde versammelten sich die Menschen ängstlich auf einem Platz und warteten auf das möglicherweise zu Erwartende. Letzteres ließ allerdings auf sich warten, sodass einige den Ort wieder verlassen wollten, bis jemand laut sagte: „Geht bitte nicht weg – wir warten doch auf Godot!"

 

Wer ist Godot? - wollten die Menschen wissen.

Das weiß ich nicht, sagte der Jemand – aber Samuel Beckett, der ein Theaterstück „Warten auf Godot“ 1950 geschrieben hat, wusste es offenbar auch nicht – jedenfalls weigerte sich Beckett immer, Interpretationen zu seinen Figuren zu geben!

 

War das von Beckett beschriebene Phänomen denn auch rot?

Nein – Godot ist ja bis zum Schluss des Theaterstückes nie erschienen!

Und warum sollen wir dann warten – wenn Godot kein rotes Phänomen war und bis zu letzt nicht erschien?

Nun - Godot hätte ja „rot“ sein können und vielleicht wäre er (oder es) doch irgendwann erschienen!

Beinahe hätten die versammelten Menschen (wie Wladimir, einer der beiden Landstreicher in Becketts Stück), „ah“ gesagt, aber da sie das Stück ja nicht kannten, konnten sie eben nicht „ah“ sagen und schwiegen verängstigt. Plötzlich änderte sich die bedrohliche Situation – eigentlich nicht wirklich plötzlich, aber innerhalb von ca. zehn beklemmend lang erscheinenden Minuten, was die Spannung der Menschen bis zum Zerreißen erhöhte - dann sagten alle wie im Chor: „hmmmm“, was in dieser Situation rgendwie etwas Endzeitartiges zum Ausdruck brachte.

Warten auf ein grünes Phänomen - © Alfred Rhomberg

Das Phänomen war jetzt grün – und sofort fragten die Menschen:

 

Ist das jetzt Godot?

 

Dumme Frage – "Jemand" hatte ja bereits festgestellt, dass Godot in dem Beckett’schen Stück niemals erschien und man daher auch nie erfuhr, ob dieser (oder dieses) rot oder grün war - wir müssen weiter warten!

 

Irgendjemand aus der Menge (vielleicht war es Estragon) sagte: Kommt lasst uns gehen!

 

Wir können nicht, wir warten ja auf Godot – und da ist es doch völlig gleichgültig ob dieser oder dieses - wie auch immer - rot oder grün ist!

 

Diesmal hatte die Menge die Bedeutung dieser Worte offenbar in ihrer vollen Tragweite erkannt, zumindest antwortete sie mit einem laut vernehmlichen „aaaah“.

 

Es gibt bekanntlich viele vergebliche Formen des Zeitvertreibs und immer wieder dieses "teuflische Suchen“ nach roten oder anderen Phänomenen um die noch verbleibende Lebenszeit zu überbrücken.

 

Diejenigen die den Platz trotzdem verlassen hatten, gingen je nach Bildungsgrad, entweder nachhause um die „Holzwege“ des Philosophen Martin Heidegger noch einmal zu lesen, oder aber in ein gutes Wirthaus um die noch verbleibende Lebenszeit auf angenehmere Weise zu verbringen.

 

(16.3.2016)

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