Sinnlose Ereignisse

 
Sinnloses Ereigniss - ® Alfred Rhomberg

 

 

Josef liebte sinnlose Ereignisse – zumindest solche, die einen für ihn unerwartet erfreulichen Ausgang nahmen. Seine Liebe (oder Manie?) zu derartigen Ereignissen ging soweit, nicht einmal wahrzunehmen, dass selbst Ereignisse mit erfreulichem Ausgang für ihn sinnlos waren, weil:  weil … sie eben sinnlos waren, sinnloser jedenfalls als ein „Warten auf Godot“ (absurdes Theaterstück von Samuel Beckett), in welchem die Protagonisten Wladimir und Estragon immerhin bis zuletzt davon überzeugt sind, dass „Godot“ noch kommt:

 

                                    Wladimir: Wir warten auf Godot.

                                    Estragon: Ah!

 

Sinnloses Ereignis Nr.1: Josef erhält einen Brief vom Finanzamt mit der Aufforderung, eine größere Summe Steuern nachzuzahlen – was war daran erfreulich? Dass sich der Postbote geirrt hatte und nicht Josef, sondern ein gewisser Joseph gemeint war – eine harmlose Verwechslung und eigentlich nicht erwähnenswert.

 

Sinnloses Ereignis Nr.2: Josef wachte aus der Narkose auf. Vor ihm stand ein freundlicher Arzt und sagte: „wir haben Glück gehabt – Ihr Knie konnte so operiert werden, dass keine bleibenden Schäden zu erwarten sind und ansonsten gab es nur Prellungen und leichte Gesichtsverletzungen, wie sie bei Autounfällen leider üblich sind – die Polizei wartet schon und will Ihnen ein paar Fragen stellen“. Josef war erstaunt, dass die Polizei auf seine Einwände, er habe a) kein Auto b) wäre in der letzten Zeit nie als Mitfahrer in einem Auto gesessen und sei c) zur fraglichen Zeit auf Urlaub gewesen, nicht besonders überrascht reagierte. Einer der beiden Polizisten meinte nur kurz, die Polizei habe am vermeintlichen Unfallplatz, von welchem er eingeliefert worden sei, auch keinerlei Spuren eines Unfalles feststellen können.

Das Erfreuliche an diesem absolut sinnlosen Geschehen war, dass Josef außer der sinnlosen Operation am Knie nicht stärker verletzt worden war. Josef konnte sich es nicht verkneifen, wie der oben erwähnte „Estragon“, Ah! zu sagen.

 

Sinnloses Ereignis Nr.3: Josef hatte von Zeit zu Zeit die Manie, von Hochhäusern herabspringen zu wollen, obwohl er wusste, dass dies nicht gut ausgehen konnte. Eines Tages setzte er seine Absicht jedoch in die Tat um und sprang vom 30. Stockwerk eines geeigneten Hochhauses in die tödliche Tiefe. Was war an diesem sinnlosen Ereignis so erfreulich? Vermutlich, dass Josef nun endgültig von seiner Manie, von Hochhäusern herabzuspringen, befreit war. Da Josef selbst nicht mehr dazu in der Lage war, sagte der bereits oben erwähnte Estragon wiederum: Aaaah!

 

Estragon, der in seinem angestammten Werk  „Warten auf Godot“ stets in der vagen existenziellen Unsicherheit einer ewig enttäuschten Illusion des Wartens verharren musste, aus der ihn Samuel Beckett nie befreite, fühlte sich zum ersten Mal frei und konnte sich vom Schauplatz entfernen – was auch für Estragon trotz des an sich unsinnigen Geschehnisses erfreulich war.

 

(17.10.2014)

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