Schöpfung neu - der 8. Tag

 

Schöpfung - © Alfred Rhomberg

 

 

Das erste Buch Mose beginnt bekanntlich mit der Schöpfung. Nachdem Gott am 6.Tag die Landtiere und den Menschen und am 7. Tag die Ruhe (den Sabbat) geschaffen hatte, wäre ein 8. Tag nützlich gewesen, um alles noch einmal aktiv, d.h. ohne die Trägheit die dem Sabbat anhaftet, zu überdenken.

 

Über die Tage 1 bis 5 bedarf es keiner besonderen Überlegungen (Tag 1 und 2 hätten aus Gründen der Logik eventuell vertauscht werden können) – wenn Gott dies jedoch so wollte, ist das seine Sache, uns geht das nichts an, weil es uns (und unsere Logik) ja noch nicht gab. Die Ausgestaltung des Tages 6 hätte bereits einer Projektgruppe bedurft – einige Tierarten sind möglicherweise wirklich überflüssig (z.B. Spinnen), die Schaffung der Schlange war in Anbetracht der Schaffung des Menschen (siehe Adam und Eva) sicherlich ebenfalls eine Fehlentscheidung. Vermutlich war auch die Schaffung des Menschen „nach seinem Ebenbild“ eine leichtfertige Überschätzung seiner selbst – das musste wohl schief gehen – nun müssen wir eben mit dem leben, was daraus geworden ist.

 

Der 8. Tag

 

Gott saß in einer kreisförmigen Consulting-Runde direkt dem Coach gegenüber, der die Anwesenden aufforderte die Augen zu schließen und vollständig verinnerlicht und spontan darüber nachzudenken, was in ihrem beruflichen Umfeld nicht so glatt verliefe wie es sollte, man würde danach Lösungsversuche erarbeiten. Solche Coachingrunden waren leider mit der Erfindung des Menschen am 6. Tag nicht notwendigerweise, sondern fahrlässigerweise, inbegriffen. Gott schloss die Augen - das erste was ihm einfiel war, Menschen ohne Consultingagenturen zu schaffen, das musste unbedingt korrigiert werden. Als die Anwesenden nach fünf Minuten Verinnerlichung die Augen öffnen durften, meinte der Coach. „Wir alle sind hier, um das beste für unsere Firma zu leisten. Gott dachte bei sich: „eigentlich nicht so dumm“ und dachte dabei an seine eigene Firma – das Christentum. Doch Gott revidierte seine fast schon positive Meinung, als der Coach und alle Anwesenden (außer Gott) ausschließlich über Wertschöpfungssteigerung diskutierten und merkte, dass es dabei nicht um innerliche bzw. ethische Werte ging, sonder darum, wie man die Konkurrenz schlagen konnte. Gott hatte bekanntlich keine wirkliche Konkurrenz außer Satan, der jedoch von ihm geschaffen und daher von ihm beruflich abhängig war, sodass er ihn leicht in seine Schranken verweisen konnte. Als der Coach Gott beim Mittagessen vorwarf, er würde sich gedanklich zu wenig in die Gespräche einbringen, meinte Gott nur lakonisch: „danke – alles klänge sehr schön, es wäre jedoch von ihm so nicht beabsichtigt gewesen“. Dem Coach fehlten zum ersten Mal die eingelernten passenden Worte. Macht nichts, dachte Gott, die Tage des Coachs würden eh’ gezählt sein - wenn nicht durch Gott selbst, so doch durch neue Managementtheorien, die sich alle 5 Jahre ändern.

 

Gott setzte sich am Nachmittag vor einen Fernsehapparat und obwohl er den Gesamtüberblick über das Weltgeschehen hatte, war er doch verwundert, dass nur Schreckensnachrichten verbreitet wurden. Warum wurde nicht ein einziges Mal darüber berichtet, dass irgendwo – trotz des zugegebenermaßen schlechten Frühlings und Sommers, ein Schneeglöckchen im August blühte, was seiner Meinung nach berichtenswert gewesen wäre – obwohl es sich um keine Greueltat handelte.

 

Schließlich besuchte er ein Fußballspiel und war entsetzt, dass sich die Fans wegen eines vom Schiedsrichter falsch eingeschätztes Tors stundenlang verprügelten – das hatte er wirklich nicht gewollt. Er hätte bei etwas mehr Aufmerksamkeit den Schiedsrichter durch einen Wink von oben warnen können, auch hätte er durch ein Hagel-Unwetter die sich prügelnden Fans ernüchtern können.

 

Zum Abschluss besuchte er eine Erotikmesse und wunderte sich, was nach der Vertreibung aus dem Paradies als Folge dieser Vertreibung auf dem Gebiet menschlicher Nichtbeziehungen geschah. Dann sprach er noch mit einigen PolitikerInnen und dachte sich, dass er diese in Zukunft vielleicht durch Erzengel ersetzen müsste.

 

Der 8. Tag hatte ihm restlos die gewonnene Ruhe des Sabbat verdorben – er würde ein paar weitere Tage anhängen müssen, um das, was er am 6. Tag angerichtet hatte, wieder in den Griff (moderner ausgedrückt: "in den grünen Bereich") zu bekommen. Das Ganze würde er dann als „Schöpfung neu“ bezeichnen, was vielen Philosophen, Päpsten und vielleicht sogar irgendwann einmal Päpstinnen und WissenschaftlerInnen eine enorme Zahl an Arbeitsplätzen sichern könnte. Der Arbeitsplatzgedanke war das Einzige, was ihm von der Coaching-Runde hängen geblieben war. Und an einen zweiten Satz des Coachs erinnerte er sich:

 

“Sie sehen, es hängt nur von Ihnen ab, wie Sie Ihre Zukunft gestalten: Packen Sie es an”

 

(vielleicht werden wir irgendwann erfahren, ob und wie Gott dieses Upgrade gelang – vielleicht auch nicht, weil Gott das Modul “Mensch” aus seinen verbesserten Evolutionsvorstellungen verbannte).

 

(Vers. 17.11.2014)

 

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