Der Garantieschein zu sterben braucht kein Kleingedrucktes

 


Tot-Ort - © Alfred Rhomberg

 

 

Bei der Geburt in einer unserer Wohlstandskliniken erhält jedes Baby ein kleines Armbändchen oder ein anderes Erkennungsmerkmal, um eine Verwechselung zu vermeiden. Dieses Armbändchen ist in Wirklichkeit der Garantieschein zum Sterben und an sich nur die Garantie, nicht mit anderen zum Tode Verurteilten, verwechselt zu werden. Die Natur ist großzügig und vergibt solche Garantiescheine auch an Babies, die nicht in unseren Kliniken, sondern irgendwo in der Dritten Welt oder im Urwald geboren werden – allerdings ist dieser Schein nicht so deutlich sichtbar – aber auch dieser ist ohne Kleingedrucktes „todsicher“ einlösbar.

 

Wie gehen Menschen mit diesem Garantieschein um?


      1. sie betreiben Philosophie


2. sie verschreiben sich der Magie


3. sie erfinden Religionen


4. sie verdrängen den Garantieschein und genießen das Leben

 

Auf den ersten Blick sieht die vierte Lösung am besten aus – wenn dann nicht plötzlich die Realität des Todes vor der Tür stünde und man darauf nicht vorbereitet ist. In diesem Falle zöge die/derjenige das große Los, die/der einen Sekundentod (Unfall, Sekundenherzinfarkt) erleidet – dieses Los ist jedoch statistisch – auch wenn viel darüber geredet wird – sehr unwahrscheinlich.

 

Von den anderen drei Alternativen sollte man Nr. 2, die Magie, auslassen – es ist bis jetzt kein Abrakadabra gegen das Sterben bekannt. Bleiben also nur die Philosophie und die Religion und es ist kein Wunder, dass sowohl die Beschäftigung mit der Philosophie als auch mit irgend einer Religion uns Menschen von jeher quasi angeboren ist. Es besteht der Verdacht, dass unser Gehirn die ihm drohende Gefahr mit dem Individuum zu sterben von sich aus erkennt und den Menschen dazu verleitet, nachzudenken oder zu glauben. Das wäre zwar ein Selbstbetrug des Gehirns – wer sich ein wenig mit Neurophysiologie auskennt weiß jedoch, dass unser Gehirn sehr oft mit Selbstbetrug arbeitet. Zwar reagiert das autonome Nervensystem (ZNS) in vielen Fällen richtig, wenn jedoch der Harnleiter durch einen Nierenstein blockiert wird, reagiert das ZNS falsch: es kontrahiert den Harnleiter und löst damit die berüchtigten Nierenkoliken aus, anstatt den Harnleiter zu dilatieren (ausdehnen), damit der Stein im erweiterten Harnleiter seinen natürlichen Abgang findet. Es gibt sehr viele solcher Fehlverhalten unseres Gehirns u.a. die optischen Täuschungen.

 

Die Philosophie

 

Die Philosophie bietet zwar keine Garantiescheine gegen das Sterben – sie beschäftigt den Menschen jedoch im günstigsten Fall damit, sich mit dem Sterben abzufinden. Das versuchen viele philosophische Schulen mit den ausgeklügelsten Tricks, von den Stoikern angefangen, über die sokratische Schule bis hin zu den modernen Existenzialisten, die in ihrer ausgeprägtesten Form der Existenz eine „Existenz“ ganz einfach abspricht – denn was nicht existiert, kann auch nicht sterben. So einfach kann Philosophie sein. Nicht von ungefähr heißt eines der berühmtesten Bücher Martin Heideggers „Holzwege“.

 

Die Religion

 

Ohne den Tod gäbe es keine Religionen. Fast alle Religionen versehen den Garantieschein des Todes mit etwas „Kleingedrucktem“. Manche Religionen versüßen den Tod lediglich mit ein paar kleingedruckten Floskeln (Buddhismus), andere versprechen das Paradies und/oder das Ewige Leben. Hier lohnt es sich das Kleingedruckte besonders genau durchzulesen. So enthalten unsere christlichen Religionen gleich zwei Hürden: a) man muss sich damit abfinden, dass das Ewige Leben in einer anderen Form stattfindet und b) man muss daran glauben. Während a) noch einigermaßen nachvollziehbar ist, so ist b) wesentlich schwieriger bewerkstelligbar, aber nicht ganz unmöglich.

 

Wer den richtigen Zugang zu den vorangestellten Möglichkeiten gefunden hat, braucht den Garantieschein des Sterbens nicht zu fürchten.

 

(Version 28.8.2013)

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